
Einige Jahre später änderte der Maastrichtvertrag den Namen der Europäische Gemeinschaft in Europäische Union und Franck Biancheri, der grundsätzlich allen Arten von Unionen misstrauisch gegenüberstand, hielt dies für keine gutes Vorzeichen der zukünftigen Entwicklungen. 23 Jahre später ist die Demokratisierung in Europa keinen Schritt weiter gekommen und die gegenwärtige Krise schafft das perfekte Umfeld für ein Scheitern des Projekts der Gemeinschaft Europa. Wir werden aufzeigen, welche Hinweise dafür vorliegen, dass die Tendenz der Imperiumsbildung (die natürlich immer unterschwellig da, aber durch Schutzmechanismen eingedämmt war) wieder dabei ist zu erstarken. Aber wir werden insoweit noch keine richtige Antizipation vorlegen, also nicht entscheiden, wohin nach unserer Meinung die Entwicklung gehen wird, sondern vielmehr auch die Hinweise herausarbeiten, die uns hoffen lassen, dass nicht alles für die Idee von Europa als Gemeinschaft verloren ist (1).
Dafür bedarf es aber einer Tendenzumkehr. Beinahe ein Jahr schreiben wir schon, dass Europa am Scheideweg (2) stünde. Wir gehen davon aus, dass es jetzt den falschen Weg eingeschlagen hat, in Richtung auf das tragische Szenario, das Franck Biancheri in seinem visionären Buch .”Nach der Krise – Auf dem Weg in die Welt von Morgen; beschrieben hat, das im Jahr 2010 veröffentlicht wurde (3). Darin beschrieb er auch die wesentlichen Trümpfe Europas in der Krise und sein Potential, beim Aufbau einer multipolaren Welt mitzuwirken – aber auch die Risiken für Europa und seine Menschen, deren herrschenden Eliten (nicht-demokratisch in Brüssel) und (nicht-europäisch) in den Hauptstädten sich als unfähig erwiesen, die Krise als Chance für einen Abschluss der europäischen Konstruktion durch Vertiefung und Demokratisierung zu nutzen, die so unvollendet bleibt (4).
Wie unsere Leser wissen, haben wir die Ukrainekrise immer als Aktion der Amerikaner interpretiert, die ihre Politik mit Hilfe treuer Gefolgsgenossen in den Entscheidungskreisen in Brüssel umsetzten, auch mit dem Ziel, Europa auf Dauer als Juniorpartner (oder als nützlichen Idioten) der USA im westlichen Lager zu verankern. Diese Aktion wurde wie ein Blitzkrieg geführt und hat die Europäer überrumpelt, die sich quasi über Nacht in einem Vorkriegsstadium mit den Russen befanden. Als sie ihren ersten Schock überwunden hatten, spielte sich eine andere Schlacht ab, diesmal innerhalb der herrschenden Eliten, den Mitgliedstaaten und in den öffentlichen Meinungen, zwischen den Anti-Russen und den Pro-Russen, bzw. vielmehr zwischen den Pro- Amerikanern und den Anti- Amerikanern, aber vor allen Dingen zwischen den ideologischen Transatlantikern und den Verteidigern der Unabhängigkeit des
europäischen Kontinents.