Home Blog Ukraine: Drei Antizipationen aus der Vergangenheit, um die Gegenwart und Zukunft unseres Kontinents zu verstehen

Ukraine: Drei Antizipationen aus der Vergangenheit, um die Gegenwart und Zukunft unseres Kontinents zu verstehen

Bereits 2014 warnten wir vor dem Ausmaß der Gefahr, die die Ukraine-Problematik für Europa und die Welt darstellt. Deshalb haben wir beim Ausbruch des Krieges in unsere Archive durchsucht, um für Sie eine Auswahl unserer Antizipationen zur Ukraine zusammenzustellen. Wir haben drei davon ausgewählt. Die älteste stammt aus dem Jahr 2017 und enthält bereits im Titel die Warnung „Jetzt den dritten Weltkrieg verhindern!„. Die beiden anderen wurden 2020 und 2021 veröffentlicht und warnen vor einem „Flashback aller europäischen Krisen“ und sehen „Europa erneut im Epizentrum eines Weltkriegs„.

Diese Übung ist notwendig für die Stärkung unserer Methode. Das hier dargestellte Ergebnis enthält Elemente potenzieller Entwicklungen, die sich für unsere Leser als sehr nützlich zum Verständnis der gegenwärtige und zukünftigen Situation erweisen können. Eine russische Intervention in der Ukraine erschien zwar immer als die schlechteste Wahl und als solche in einem kurzen Zeitrahmen unwahrscheinlich, doch alle Elemente der Tragik der Geschichte, die heute wieder an die Oberfläche kommen und scheinbar dauerhaft wirken, finden sich in unseren Analysen wieder.

2017: Der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, zeichnet sich ab

Wie wir immer sagen: „In einer komplexen Welt ist es notwendig, zu antizipieren, denn wenn die Probleme auf dem Tisch liegen, gibt es nur noch schlechte Lösungen“.

Die Einleitung des ersten Artikels unserer Auswahl charakterisiert die Situation, in der wir uns jetzt befinden, perfekt. Zu diesem Zeitpunkt erkennen wir, dass der Konflikt, der sich damals noch im diplomatischen Stadium befand, nicht den Weg zu einer friedlichen Lösung einschlägt und dass diese in gefährliche Ferne gerückt ist:

Tatsächlich zielen die Machtdemonstrationen Russlands sicher darauf ab, die Europäer unter Druck zu setzen, damit sie sich in dieser Krise von der amerikanischen Kontrolle befreien und ihre strategische Unabhängigkeit wieder finden. Aber die Verstärkung der NATO-Kapazitäten in Europa ist heute eine Realität, die auch die Uhr für Russland dreht: derzeit hätte im Fall einer Feuersbrunst Russland den strategischen Vorteil (wie der RAND-Bericht klar aufzeigt). Aber die Vervierfachung des amerikanischen Militärbudgets für Europa, die Verstärkung der menschlichen und technologischen Kapazitäten, usw. … erlauben es Russland nicht, auf unbestimmte Zeit zu warten, weil dann die NATO wieder imstande ist, ihm ihr Gesetz aufzuzwingen. Derzeit spielt sich ein echtes Rennen gegen die Uhr ab, welches dazu beiträgt, dass sich die Konfliktrisiken für dieses Ende des Jahres sehr signifikant konzentrieren.

Dabei haben wir nicht berücksichtigt, dass die Wiederherstellung des Dialogs mit Russland wahrscheinlich nicht ausreichen wird, um Lösungen zu finden, wenn sich so viele Spannungen in prinzipiellen Fragen seit 15 Jahren angehäuft haben, und seit 2014 vielleicht auch irreversibel. Die Geschichte wiederholt sich nicht.

2020: Der Bumerang beginnt seinen Rücklauf

Im Einklang mit unseren jüngsten Analysen beschreiben wir die „Rückkehr zur Realität“ des Westens, die schmerzhaft, da von den „zweiten Monsterwellen“ geprägt sein wird, d. h. von „einer riesigen Injektion von Erinnerungen … an all die Krisen, die Europa in den letzten Jahren durchlebt hat, und sogar an ältere, die nur teilweise gelöst werden konnten“.

Damit sendet Russland folgende klare Botschaft aus: „Ich favorisiere mein im Entstehen begriffenes Bündnis mit der Türkei vor der chimärenhaften Verfolgung eines Traums von einer Annäherung an Europa“. Armenien ist in der Tat ein gleichzeitig gemeinsamer und konfliktträchtiger Punkt zwischen Russland – zu dessen Einflusssphäre es geographisch und historisch eigentlich gehört – und Europa – das versucht, es in seine abwegigen NATO-EU-Mitgliedschaftsprojekte zu integrieren. Die Bergkarabach-Krise war somit die Gelegenheit für Russland, sich Europa anzunähern, um den gemeinsamen Schützling zu retten. Aber das war früher … als Russland noch versuchte, eine Zusammenarbeit mit der EU aufzubauen. Einerseits verstieß das Szenario der Unterstützung für Armenien gegen das Prinzip der russischen Außenpolitik, die Souveränität der Staaten (und der Unionen von Nationen) anzuerkennen; und Bergkarabach gehört zu Aserbaidschan, obwohl es mehrheitlich von Armeniern bevölkert ist. Und auf der anderen Seite hat sich Russland in seinem jüngsten geopolitischen Verhalten entschlossen für die Türkei auf Kosten Europas entschieden …

Nimmt man zu diesem ersten Hinweis auf die Isolierung Europas angesichts der USA (1) noch die Ungeduld hinzu, die China wohl überkommt angesichts der allmählichen Abkehr der europäischen Länder von China in der Huawei-Affäre (2) und der Hartnäckigkeit einer antichinesischen europäischen Presse (3). Und kombiniert all dies mit der jüngsten Unterzeichnung der Freihandelszone RCEP durch die 15 asiatischen Staaten (4) und der Antizipation der Chinesen, dass ein von den Demokraten regiertes Amerika Europa am Ende in einem neuen Schub des akuten „Transatlantizismus“ (5) führen wird, entsteht ein Szenario: Eur-Asien wird nicht länger zögern, das Handtuch bezüglich Europas zu werfen und es mit seinen Krisen und seinen guten amerikanischen Freunden allein lassen, ohne einen weiteren Versuch zu unternehmen, es in die Dynamik des Wohlstands zu integrieren, wofür es in letzten 10 Jahren so sehr geworben hat.

Auch hier glaubt die EU die Situation unter Kontrolle zu haben, während in Wirklichkeit ihre Ostflanke inzwischen fast vollständig ins US Lager übergegangen ist, insbesondere durch die Konstituierung dieser seltsamen Allianz der drei Meere (Adria, Ostsee, Schwarzmeer) durch die Vereinigten Staaten, die gerade in Mittel- und Osteuropa den sowjetischen Meister durch einen amerikanischen Meister ersetzt hat: Polen, Kroatien, Österreich, Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, d.h. alle Länder des ehemaligen Ostblocks, die der EU 2004-2007 beigetreten sind (mit Ausnahme Österreichs, das auch erst 1995 beigetreten ist).

Die amerikanische Strategie (wir sind von Akteuren umgeben, die Strategien haben, während der EU diese noch zu fehlen scheinen) besteht darin, die westeuropäischen Wirtschaftsmaschine nicht nur von Russland, sondern auch durch das Durchschneiden seiner Seidenstraße von China abzuwenden. Der 3-Meeres-Korridor verschafft den Amerikanern Zugang zu westeuropäischen, osteuropäischen, westeurasischen (Belarus, Ukraine, Moldawien) und balkanischen Gebieten und Märkten und stellt einen amerikanischen „Gürtel und eine Straße“ dar, durch den sein Dollar, sein Gas und sein Öl, seine Waffen und seine Truppen, usw. … zirkulieren werden.

2021: Das Gespenst eines globalen Konflikts

Wir analysierten die jüngsten Anzeichen für eine Verschärfung der Spannungen, die auf eine Isolierung Russlands hindeuten und eine mögliche gewalttätige Reaktion des Kreml erkennen lassen. Wir erinnerten daran, dass die reellen Garantien für einen Frieden in Osteuropa noch lange nicht gegeben sind, und forderten unsere Leser auf, ihren Blick vom Konflikt zwischen den USA und China, der damals die Nachrichten beherrschte, abzuwenden und ihn wieder ins Zentrum des alten Kontinents zu richten.

Die NATO scheint die Türkei wieder in ihr Lager geholt zu haben, welche an den Übungen im Austausch für eine Lizenz zur Ausbeutung des Öls im Schwarzen Meer (im Gegensatz zu dem im östlichen Mittelmeer) teilnimmt und auch, weil Bündnisse auch für die Türkei nicht zu überwinden sind.

Die Halbinsel Krim im Zentrum des Schwarzen Meeres und das Juwel des russischen Verteidigungssystems, Sewastopol, kann Russland unmöglich aufgeben. Wenn die Bedrohung zunimmt, werden die Russen gezwungen sein, einzugreifen, oder Putin wird gezwungen sein, die Macht abzugeben – aber es gibt keine Garantie, dass dies positiv wäre.

Diese Manöver der Verbündeten könnten freilich eine Einschüchterung sein. Doch stellen unsere Experten einen Unterschied in der Intensität und Diskretion fest, der nichts Gutes verheißt. Ein weiteres Indiz ist die Schließung der unabhängigen (weder pro-russischen, noch regierungsfreundlichen) Zeitung KyivPost … ganz zu schweigen von den vorzeitigen Rücktritten von Regierungsbeamten. Wenn die unabhängige Presse zum Schweigen gebracht wird, Minister zurücktreten und Armeen an den Grenzen aufmarschieren, gibt es Grund zur Sorge.

All diese Bemühungen, den westlichen Einfluss auf die russische Sphäre auszudehnen (Serbien, Ukraine, Krim, Weißrussland), überschreiten die von Moskau gesetzten roten Linien. Wie wir immer wieder betont haben, können die Ukraine, Weißrussland und die Balkanländer nur im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland Frieden finden. Davon sind wir noch weit entfernt.

Während viel über den Konflikt zwischen den USA und China über Taiwan gesprochen wird, sollten wir aufpassen, dass der Dritte Weltkrieg nicht wieder in Europa beginnt. Denn in diesem Teil der Welt, an der Kreuzung von Zombie-Imperien, scheinen die Risiken am größten zu sein.

Kommentare

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Norbert Haimberger
15 Mrz 2022

Diese Zusammenhänge sind so klar... die europäische politische Elite muss doch auch diese Zusammenhänge kennen. Woran liegt es also, dass unser Polit-Personal wider besseren Wissens falsche Entscheidungen zum Nachteil Europas trifft? Manchmal glaubt man, die Politische Elite ist zu dumm - das ist aber sicherlich nicht der Fall - wieso also??

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