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GEAB Sommer 2024

Der monatliche Informationsbrief des Laboratoire européen d'Anticipation Politique (LEAP) - 31 Juli 2024

Fahrplan für die Energiequellen der Zukunft

    • Die Energiewelt rekonfiguriert sich weiter mit all dem bekannten Knirschen » – Auszüge aus dem GEAB 141, 01/2020


    (…) „Energie: Das neue Energie-“Gewebe“

    Die Energiewelt rekonfiguriert sich weiter mit all dem bekannten Knirrschen, das verbunden ist mit dem Streben der großen Akteure nach Autarkie/Energiesicherheit, der Diversifizierung von Akteuren und Energien und der Errichtung neuer Einflussnetzwerke (zum Beispiel kann Israel, das seine Autarkie nun gesichert hat, seine Überschüsse nutzen, um sein Netz der Interdependenzen zu weben: Gaspipeline Israel-Ägypten …). Es ist vor allem die Neugewichtung Öl-Gas, die neue Akteure und Allianzen erzwingt, da die großen Gasproduzenten nicht mit den großen Ölproduzenten identisch sind … und in der „anderen Welt“ angesiedelt sind (Russland und der Iran verfügen derzeit über die beiden größten Gasreserven der Welt). Das Jahr 2019 endet mit einem durchschlagenden Misserfolg für die Vereinigten Staaten, die 2014 darauf hoffen konnten, dass sich Europa und Russland „dank“ der Ukraine-Krise voneinander abschneiden. Vier Jahre später sind es nicht mehr eine Gasleitung, sondern drei, die Europa mit russischem Gas versorgen. Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende und das teilweise Scheitern der amerikanischen Strategie zur Schaffung von transatlantischen Energieverbindungen könnte 2020 zu neuen Erschütterungen führen. Ganz zu schweigen von den anderen Schlachten, die an dieser Front in anderen Teilen der Welt geschlagen werden.“

    • « Energie 2020-2050: Die Klimakonferenz COP26 muss den Weg in eine intelligente Energiezukunft aufzeigen » – Auszüge aus dem GEAB 146, 06/2020 


    (…) Überbrückung zu erneuerbaren Energien

    Viele erneuerbare Energiequellen haben eine dramatische Steigerung sowohl ihrer Kosteneffizienz als auch ihres Nutzungsgrades in Industrie- und Entwicklungsländern erfahren. Die europäischen Länder haben besonders gut abgeschnitten, wobei einige ihr Ziel für 2020 im Jahr 2018 übertroffen haben. Trotzdem können solche Quellen nur einen kleinen Teil unseres Gesamtenergiebedarfs liefern und sie decken nicht einmal unseren steigenden Strombedarf – außer an den sonnigsten oder windigsten Tagen! Es gibt auch Fragen bezüglich der langfristigen Umweltauswirkungen einiger „grüner“ Energieprojekte. In den letzten Jahren wurden Fragen der Waldrodung, der Verschmutzung bei ihrem Bau und der schlechten langfristigen Haltbarkeit aufgeworfen.

    Für diese Periode, in der die Entwicklung von nachhaltigeren Projekten vorangetrieben wird, werden sich die Länder auf die etablierte thermische Gaserzeugungskapazität und die verbleibenden Kernreaktoren für die „Grundlast“ verlassen müssen. (…)

    (…) Es ist eine traurige, aber unbestreitbare Tatsache, dass Europa ohne diese alternativen Energiequellen mit hoher Kapazität und niedrigem Kohlendioxidausstoß zumindest mittelfristig sowohl für die Heizung der Haushalte als auch für die Stromerzeugung von Erdgas abhängig bleiben wird. Für Nationen wie Deutschland ruft diese Bindung an fossile Brennstoffe sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Politik weiterhin Widerstand hervor. Dies ist besonders heikel, da es eine politisch umstrittene Abhängigkeit von russischem Gas, dessen Lieferung durch die kontrovers diskutierte Nordstream 2-Pipeline demnächst stark erhöht werden soll, fortbestehen lässt. Hier müssen wir also darauf vertrauen, dass eine starke politische Führung ein Umfeld aufrecht erhalten wird, das für diese Brückentechnologien förderlich ist, auch wenn unser übergeordnetes Ziel darin bestehen muss, zu weniger umstrittenen und lokaleren Alternativen überzugehen. Ein intelligenter Energieplan kann den Ländern dabei helfen, den derzeitigen Rückgang der Energienachfrage auszuweiten und die Wirtschaft auf der Basis von lokalen, nachhaltigen Lösungen neu zu starten, ohne dass es zu einer Rückkehr zum Prinzip von „Energie auf Abruf“ kommt. (…)

    (…) Sturmwolken am Horizont

    Neue Produkte und Lösungen halten ständig Einzug in unsere Energiewirtschaft. Auch haben sich in den letzten Jahren viele große Ölkonzerne ein neues Profil gegeben, in alternative Energien investiert und sich als Anbieter von zukünftigen Energieformen neu positioniert. Jedoch haben diese Konzerne dabei manchmal viele kleinere Unternehmen im Bereich von alternativen Energien „aufgekauft“ und mit ihnen die Patente für mögliche zukünftige Formen der Energieerzeugung. Sollten einige dieser (inzwischen hoch verschuldeten) Unternehmen aufgrund unseres plötzlichen, unvorhergesehenen Zusammenbruchs der Ölnachfrage ins Wanken geraten, dann wird sich dies möglicherweise negativ auf den gesamten Energiemarkt auswirken – und auf die alternativen Energiequellen, an denen sie arbeiten. Sollte dies geschehen, dann müssen wir hoffen, dass die Regierungen einschreiten, eine Kontrollbeteiligung übernehmen und es diesen Technologien ermöglichen, ihren Platz im neuen System zu finden.

    Während eine solcher Schlag gegen „Big Oil“ schon lange angekündigt ist und viele der kleineren, übermäßig fremd-finanzierten Förderunternehmen dies tatsächlich nicht überleben werden, verfügen die meisten der größeren, breit aufgestellten Unternehmen derzeit sowohl über die finanziellen Mittel als auch über den Zugang zu neuem Kapital, um den gegenwärtigen Sturm zu überstehen. (…)

    (…) Neue Technologie hat ihren Preis

    In jüngster Zeit lag der Fokus bei den Bestrebungen für einen saubereren Verkehr auf Elektrofahrzeugen, was die Dringlichkeit von besseren Batterien und einer internationalen Einführung der notwendigen Ladeinfrastruktur in den Vordergrund bring. Diese beiden Kernanforderungen für eine saubere Energiezukunft haben jedoch ihre eigenen Umweltprobleme. Lithium für Batterien ist ziemlich selten, schwierig abzubauen und bei seiner Herstellung stark umweltverschmutzend, während die Installation angemessener Schnellladepunkte auf nationaler Ebene große Investitionen in Tankstellen erfordern wird und Starkstrom-Versorgungen dort, wo es diese bisher nicht gab. Hinzu kommt, dass die Produktion von sauberem Strom gesteigert werden muss, wenn der Kohlenstoff-Fußabdruck des Kraftstoffs vollständig beseitigt werden soll. (…)

    (…) Wer wird den zukünftigen Energiedeal finanzieren?

    Auch gibt es nach wie vor erhebliche Probleme bei der Finanzierung vieler der innovativsten und potenziell bahnbrechendsten Entwicklungen im Bereich der grünen Energie, entweder privat (Startups oder Forschungsprojekte von Großunternehmen) oder durch Regierungsmaßnahmen. In solchen Fällen ist der Zugang zu zusätzlichem Kapital durch Private Equity oder Anleihenverkäufe sehr wichtig. Der jüngste Einbruch der Anleihekurse auf risikoreicheren Energiemärkten (Ölschiefer) und ein allgemeiner Mangel an Liquidität auf den Märkten verheißen nichts Gutes für diese Investitionsmöglichkeiten mit hohem Risiko und hoher Rendite. Ein klarer Plan der EU oder anderer Institutionen kann dazu beitragen, die Märkte zu stabilisieren und ein nachhaltiges Investitionsniveau zu fördern.

    Die Corona-Virus-Krise des Jahres 2020 könnte genau das sein, was wir brauchen, um unsere intelligente Energiezukunft in Gang zu bringen.

    Während wir aus einem weltweiten Lockdown herauskommen, will die EU ihre für den Green Deal vorgesehenen Mittel als Starthilfe für die verarbeitenden Industrie und dem Einzelhandel verwenden. Investitionen in Recycling, lokale Produktion, erneuerbare Energien, die Modernisierung von Wohnimmobilien und die Entwicklung der Infrastruktur, die für die massenhafte Nutzung von Elektrofahrzeugen erforderlich ist, werden den Kern des 750 Milliarden Euro (824 Milliarden Dollar) schweren Konjunkturprogramms bilden, das die Europäische Kommission vorgestellt hat. Gleichzeitig werden die COVID-19-Schäden in Form von Konkursen, Fusionen und Konsolidierung innerhalb vieler „high-carbon“ Industrien (wie z.B. Fluggesellschaften) dazu führen, dass diese schlanker und potenziell innovationsfreudiger werden. Die staatliche Unterstützung für viele national wichtige Fluggesellschaften, Energie- und Infrastrukturunternehmen wird den Regierungen der Staaten den nötigen Einfluss verschaffen, um den ökologischen Wandel Realität werden zu lassen.

    Der „Green Deal“ wird einen Schritt in Richtung einer energieeffizienteren Welt darstellen, insbesondere durch die Modernisierung älterer Häuser und die Installation von inländischen Klein-Projekten zur Energieerzeugung. Aber der Kampf um eine kohlenstoffneutrale Wirtschaft bis 2050 wird im Verkehr gewonnen oder verloren! Die Gesetzgebung für die massenhafte Einführung von Elektrofahrzeugen hat einen Anfang gemacht, aber wir werden das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Reichweite und Nachhaltigkeit von Elektrofahrzeugen noch steigern müssen. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie den Wandel vorantreiben, und die Klimakonferenz COP26 wird eine wichtige Gelegenheit für die Welt sein, die potenziellen Lösungen zu sehen – und nicht nur die Probleme!

    Es ist unsere Zukunft

    Wir müssen einen Paradigmenwechsel in unserer persönlichen, staatlichen und unternehmerischen Reaktion auf die grüne Agenda antizipieren und auf ihn hinarbeiten. Unsere Regierungen können es nicht länger dem Eigeninteresse großer Unternehmen und dem Gewinnpotenzial von Emissionsgutschriften überlassen, den notwendigen nachhaltigen Wandel herbeizuführen. Sie haben sich zu sehr auf den Emissionshandel konzentriert, anstatt eine neue Vision eines geringeren Energieverbrauchs und einer umweltfreundlicheren Energiegewinnung zu entwickeln. Dies hat dazu geführt, dass sie es versäumt haben, die notwendige Modernisierung unserer Infrastruktur herbeizuführen: Vor allem schnelle Bahnverbindungen, umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel und eine europaweite Elektrolade-Infrastruktur.

    Es ist an der Zeit, dass die Menschen die Agenda bestimmen, einen Post-Covid-19-„Marschallplan“ durch eine neue gesellschaftspolitische Dynamik. Dies wird notwendig sein, um sicherzustellen, dass der Fokus auf eine reduzierte Energienachfrage – also eine sparsame Energiewirtschaft – neben dem Green Deal auf die Tagesordnung der Klimakonferenz COP26 gesetzt wird. Und für die Realisierung müssen unsere Regierungen bereit sein, die europäische Produktionsbasis auf diese neue, intelligente, kohlenstoffarme Wirtschaft umzulenken. Wir alle werden unseren Teil dazu beitragen müssen, dass dies geschieht, zum Wohle unserer Welt und unserer Kinder.”

    • Diversifizierung : neue « game-changer » – Auszüge aus dem GEAB 155, 05/2021


    “Eisenerz 2026: Guinea im Zentrum der Entstehung eines neuen Marktes 

    Der Preis des nach Öl am meisten gehandelten Rohstoffs steigt in die Höhe. In einer Zeit der Konjunktur- und Infrastrukturpläne, in einer schönen Versinnbildlichung des Trends „zurück zu den harten Realitäten“, ist Eisenerz das Objekt der Begehrlichkeiten. Während einige etablierte Interessengruppen es vorziehen, ihre Margen zu optimieren, indem sie die Preise steigen lassen, arbeiten andere daran, den Markt zu öffnen, indem sie neue Abbaugebiete erschließen. Alles scheint sich um Westafrika zu drehen. Genauer gesagt um Guinea, das über das größte unerschlossene Vorkommen der Welt verfügt: Simandou.

    Bis 2026 sollte sich das ändern. Je näher diese Aussicht rückt, desto volatiler entwickeln sich die Preise – bevor sie sich am Ende stabilisieren werden. (…)

    (…) Diversifizierung der chinesischen Lieferanten

    Chinesische Stahlunternehmen müssen daher ihre Eisenerzlieferanten diversifizieren.

    Als Vorbemerkung zu diesem Absatz sei angemerkt, dass China im Jahr 2019 69% des gesamten weltweit geförderten Erzes aufgekauft hat! Knapp dahinter finden wir Japan mit 7,5%… Eine Zahl, die einem den Kopf verdreht und viel über die Zentralität der chinesischen Produktionsmaschine im globalen Maßstab aussagt. Wenn Deutschland die industrielle Basis Europas ist, dann ist China die industrielle Basis der Welt, die nun versucht, sich von dieser einfachen Lösung zu distanzieren…

    Dies ist bisher aber nicht geschehen: Zwischen 2019 und 2020 ist der Eisenerzbedarf Chinas um 9,5% auf 1,17 Mrd. Tonnen gestiegen und in 15 Jahren sind die Gesamtimporte von 300 Millionen Tonnen auf 1,1 Milliarden gestiegen.

    Aktuell kommen neben den 62% aus Australien 17% aus Brasilien, 4,4% aus Südafrika (ein Plus von 1,2% gegenüber 2019), 3,7% aus Indien (+88% gegenüber 2019), 2,2% aus der Ukraine (+100% gegenüber 2019)…

    Aber diese Importe erzählen nicht die ganze Geschichte. Auch China produziert 15-20% seines Bedarfs im eigenen Land. Und angesichts der Verschlechterung der Beziehungen zu Australien fordern dessen Stahlwerke erneute Investitionen in den Aufbau von Produktionsstätten. Aber das chinesische Eisenerz ist nicht von sehr guter Qualität. Auch aus Gründen des heimischen Umweltschutzes ist es daher notwendig, sich anderswo umzusehen.

    Die Importe aus Indien haben sich zwar fast verdoppelt, aber auch hier handelt es sich um minderwertige Erze. Abgesehen davon hat China im Moment keine große Auswahl und einige Stahlwerke ziehen es angesichts der sehr hohen Preise wahrscheinlich vor, mindere Qualität zu kaufen. Und dann machen es die von den USA und ihrer Quad-Strategie geschürten Kriegsrisiken zwischen den beiden Ländern relevant, die indisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen zu stärken.

    Was Brasilien betrifft, so kämpft das Land damit, mehr zu liefern, da die Pandemie seine Humanressourcen und Produktionskapazitäten beeinträchtigt hat. Und das Land erholt sich schlecht von dem Dammbruch in Brumadinho im Jahr 2019, der zur Schließung mehrerer Minen führte. Außerdem sollte die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des Landes unter dem extrem auf den Westen fokussierten Präsidenten Bolsonaro die Chinesen nicht dazu ermutigen, zu viel auf das Land zu setzen.

    Die russischen Erzimporte sind natürlich gestiegen (+62% zwischen 2018 und 2019), stellen aber immer noch einen sehr kleinen Teil des chinesischen Bedarfs dar (1,7 Mio. Tonnen).

    Am Rande sei auf die Bedeutung des BRICS-Projekts allein aus der Sicht dieses Sektors hingewiesen.

    Der guineische „game changer“

    Um eines klarzustellen: die Diversifizierungsstrategien sind noch weit davon entfernt, die chinesischen Käufe von australischem Erz zu reduzieren. Es geht allenfalls darum, 1. einen Spielraum für Preisverhandlungen zu gewinnen und 2. den gestiegenen Bedarf anders als allein durch die australische Produktion zu decken. Außerdem ist die chinesisch-australische Interdependenz – wie im Falle Indiens – a priori eine Garantie für den regionalen Frieden.

    Guinea beherbergt die weltweit größten unerschlossenen Reserven an hochwertigem Eisenerz (65% Eisen) in der Gegend von Simandou im Landesinneren. Potenziell kann die Region bis zu 150 Millionen Tonnen pro Jahr produzieren, was 7% der Weltproduktion entspricht. Dadurch dürfte der Preis auf Werte sinken, die mit den wirtschaftlichen Zwängen besser vereinbar sind: Einige Analysten sagen voraus, dass der Preis pro Tonne von derzeit 220 USD auf 40 oder 50 USD fallen könnte…

    Es ist kein Zufall, dass diese Ressourcen nicht ausgeschöpft werden. Es steht viel auf dem Spiel und die beteiligten Akteure sind übermächtig. Die großen Majors (die brasilianische Firma Vale, die anglo-australische Rio Tinto, die israelische BSGR, die australische Fortescue,…) drehen alle ihre Runden um Simandou, aber wenn einige von der Verlockung des Gewinns angezogen werden, haben (hatten) andere vor allem das Ziel, die Ausbeutung der Vorkommen zu bremsen, und ziehen es vor, die Preise steigen zu sehen.

    Fast 20 Jahre lang schienen die Aussichten inmitten eines Sturms von Korruption und verschiedenen Geschäften trübe. Aber die guineische Regierung versucht, die Kontrolle über die verschiedenen Lizenzen zurückzugewinnen, die sie – bis vor kurzem ergebnislos – mit diesen großen Konzernen abgeschlossen hatte.

    Seit einiger Zeit scheint dies zu gelingen, vor allem durch die Einbindung internationaler Gruppen wie dem SMB Winning Consortium (Singapur, China, Frankreich, Guinea), das Ende 2019 eine Ausschreibung über 14 Mrd. USD für die Erschließung der Simandou-Blöcke 1&2 (die Schürfrechte von Simandou sind in 4 Blöcke aufgeteilt) gewonnen hat. Die Blöcke 3&4 sind jedoch zu 45% im Besitz von Rio Tinto (UK-AUS), aber auch zu 40% im Besitz von Chinalco (CN) und zu 15% im Besitz der guineischen Regierung. Hinter diesen Erschließungswegen steht vor allem die chinesische Gruppe Baowu, die erste Stahlraffinerie Chinas, die versucht, ein Konsortium aus Stahlwerken und Finanzinstituten zusammenzustellen, um 6 Mrd. USD in das Entwicklungsprojekt von Simandou zu investieren.

    Im Juni 2020 unterzeichnete SMB-Winning eine Vereinbarung mit den guineischen Behörden, um 72 Monate später, im Juni 2026, mit der Kommerzialisierung zu beginnen. Die guineische Regierung hofft, dass die Aktivierung der Blöcke 1&2 Druck auf Rio Tinto in den Blöcken 3&4 ausüben wird, da sie weiß, dass die Minderheitsaktionäre (Chinalco und die guineische Regierung) zusammen eine Mehrheit (55%) bilden, die in der Lage ist, in diese Richtung zu drängen. Ein weiterer Grund für Rio Tinto, das Ausbremsen von Simandou zu beenden, ist die faktische Begrenzung der globalen Eisenerzproduktion, die die Preise über das für den Sektor vorteilhafte Maß hinaus treibt, indem sie die industrielle Dynamik zu brechen droht.

    Da die Nachfrage nach Stahl in der Post-Covid-Welt explodiert, ist es wahrscheinlich an der Zeit, neue Standorte zu eröffnen… auch aus Sicht der etablierten Interessen. Dennoch stellen wir wieder einmal die Lücke zwischen den Bedürfnissen (heute) und den Lösungen (in 5 Jahren) fest. Aber in 5 Jahren kann viel passieren; die finanziellen Vorkehrungen sind noch lange nicht abgeschlossen; die Eröffnung neuer Standorte wirft mehr denn je Fragen über die ökologische Nachhaltigkeit einer solchen Industriemaschine auf; und der Handelskrieg zwischen China und dem Westen tobt. Simandou ist ein potenzieller game changer, der noch bestätigt werden muss.

    Eine zunehmend chinesische Welt

    Wenn sich Simandou nicht öffnet, werden ein oder mehrere Kontinente die (Re-)Industrialisierungspfade verlassen müssen, bis Materialien und industrielle/wirtschaftliche Modelle erfunden und entwickelt werden, die mit der Realität der verfügbaren Ressourcen besser vereinbar sind.

    Wenn sich Simandou öffnet und einen Anstieg der weltweiten Eisenerzproduktion um 7 % ermöglicht, kann das alte Industriemodell noch eine Zeit lang fortbestehen, während der Übergang zu den im vorigen Absatz erwähnten Materialien und Modellen vollzogen wird.

    Im zweiten Fall wird Simandou eine weitere Konsequenz haben, nämlich den Einzug der Chinesen in die kleine, sehr westliche Welt der Bergbaukonzerne zu beschleunigen. Bisher mussten die chinesischen Stahlunternehmen jede Erhöhung der Erzpreise hinnehmen, aber jede Erhöhung des Eisenpreises um 10 USD kostet die Chinesen 10 Milliarden USD (da sie mehr als 1 Milliarde Tonnen pro Jahr kaufen). China kann es sich daher nicht leisten, den Schwankungen auf den Rohstoffmärkten in den Händen eines Westens ausgeliefert zu sein, der ihm offiziell feindlich gesinnt ist… und der möglicherweise auf seine Passivität zählt, um seine Schulden auf diese Weise zu refinanzieren (Baosteel ist z.B. der Ansicht, dass der Anstieg der Erzpreise weniger die Realitäten von Angebot und Nachfrage widerspiegelt als vielmehr spekulative Praktiken).

    Im Jahr 2012 kaufte China über die Hongkonger Börse die London Metal Exchange. Aber Johnsons Post-Brexit-Großbritannien ist wahrscheinlich kein guter Ort mehr für den Handel mit strategischen Rohstoffen für die chinesische Wirtschaft, die wahrscheinlich danach strebt, die großen internationalen Handelszentren näher an das eigene Land zu verlegen. Die Krise an der Londoner Metallbörse im Zusammenhang mit der Schließung ihres Auktionsmarktes (dem berühmten „Ring“) könnte etwas damit zu tun haben… das legt jedenfalls der Evening Standard nahe.

    In der Tat hat China 2018 seine ersten Futures-Kontrakte für den Kauf von Eisenerz an der Hafenbörse Dalian (CN) für ausländische Investoren geöffnet und Dalian damit als direkten Konkurrenten zu London positioniert. Seitdem hat der australische Großkonzern BHP vor genau einem Jahr seinen ersten Eisenerzverkauf in Yuan getätigt. Im November 2019 hatte das brasilianische Unternehmen Vale das gleiche getan. Fortescue im August 2020.

    Simandou, London-Dalian, Eisenerzkäufe in Yuan,… nach und nach baut der Vogel sein Nest.“

    Abbildung  – Der Standort Simandou in der Waldregion Guineas. Quelle: BNE

     

    Guinea Version 2024

    Wie vom GEAB antizipiert, wird sich die Situation eines Landes, das über zahlreiche unerschlossene Lagerstätten verfügt, bis 2025/2026 grundlegend ändern. Das gemeinsame Bergbauprojekt Simandou, das im Februar 2024 vom Nationalen Übergangsrat Guineas genehmigt wurde[1], hat gerade grünes Licht erhalten[2] und wird voraussichtlich Ende 2025 in Betrieb gehen[3]. Sein Betrieb soll eine Jahresproduktion von 120 Millionen Tonnen (bei voller Kapazität) erreichen, was mehr als 7% des weltweiten Warenhandels mit Eisen entspricht[4]. Neben der Produktion geht es auch um den Transport und die Seefracht. Diese werden von der Compagnie du TransGuinéen (CTG) – einem Konsortium aus Rio Tinto (australisch-britischer Konzern, dessen Hauptaktionär jedoch Chinalco ist) und Winning Consortium Simandou (chinesisches Unternehmen) – ausgeführt. Es ist leicht zu erkennen, in welche Richtung sich das Gleichgewicht verschiebt.
    _____________

     

     

    [1]      Quelle: Reuters, 04/02/2024

    [2]      Quelle: Reuters, 16/07/2024

    [3]      Quelle: SCMP, 24/05/2024

    [4]      Quelle: Mining, 16/07/2024

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Zusammenfassung

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