Home Blog Brexit : Eine Rückkehr zum Commonwealth verbunden mit einer vertieften Handelspartnerschaft mit der EU

Brexit : Eine Rückkehr zum Commonwealth verbunden mit einer vertieften Handelspartnerschaft mit der EU

Ein Verlassen dieser Regulierung und eine Emanzipation von der Brüsseler Bevormundung ist nach wie vor sehr wahrscheinlich, denn obwohl eine Handelspartnerschaft nach dem Brexit selbstverständlich ist, ist es nicht garantiert, dass sie die Finanzdienstleistungen abdeckt. Die Rede der britischen Regierungschefin vom 2. März hat einen Punkt, den sie schon vorher angekündigt hatte, definitiv geklärt: die künftigen europäisch-britischen Beziehungen werden durch ein Freihandelsabkommen definiert. Es ist sehr wahrscheinlich, um nicht zu sagen gesetzt, dass dieses Abkommen einen Warenverkehr ohne Zollschranken und Zollkontingente garantieren wird, da dieses Ziel von beiden Verhandlungsparteien geteilt wird. Für die Europäer erscheint dieser Punkt offensichtlich, da die Waren-Handelsbilanz sehr stark positiv zugunsten des Kontinents ist. Den Briten wird dieser Punkt erlauben, ihre Importkosten zu begrenzen.

Abbildung – Britische Handelsbilanz, Waren (blau) und Dienstleistungen (gelb) in Milliarden Pfund Sterling, 2013-2017. Quelle: ONS.

Dienstleistungen als Hauptthema der Verhandlungen

Was dagegen noch verhandelt werden muss, das sind die Handelsbedingungen für den Dienstleistungssektor. Hier drehen sich die Kräfteverhältnisse um, Großbritannien hat im Dienstleistungssektor einen Handelsüberschuss mit der EU. Die Kommission, deren Ziel es bleibt, dass es der britischen Wirtschaft nach dem Austritt aus dem Gemeinsamen Markt schlechter geht, um den 27 zu beweisen, das es außerhalb der EU kalt ist, möchte natürlich diesen Punkt aus dem Abkommen heraushalten. Das ist umso leichter, als die Mehrzahl der Handelsabkommen diesen Bereich nur sehr schlecht abdeckt. Noch keinem Handelsabkommen ist es gelungen, die Finanzdienstleistungen abzudecken. Theresa May möchte, dass das durch diese Verhandlungen zustande gekommene Abkommen das erste ist. Die 27 weigern sich und werden wahrscheinlich auf dieser Position beharren, weil ihnen die Bedeutung dieses Bereiches für die britische Wirtschaft bewusst ist. Sicher ist diese Bedeutung real, jedoch wird sie oft überschätzt. Tatsächlich haben Unternehmensdienstleistungen, also Bereiche wie Rechtsberatung, Consulting oder Marketing, einen höheren Gesamtwert als die Finanzdienstleistungen[1]. Und im Freihandelsabkommen dürften die Unternehmensdienstleistungen leichter zu berücksichtigen sein, so dass der Finanzbereich nicht der einzige britische Trumpf ist und die durch einen begrenzten Zugang zum europäischen Finanzmarkt verursachten Verluste beherrschbar sein werden.

Die Rückkehr in den Commonwealth

Natürlich ist die Qualität der Beziehungen zur EU ein echtes Ziel Großbritanniens. Aber mindestens genauso wichtig ist die Positionierung des Landes auf einer neuen Basis, einem einerseits riesigen und vernetzten politischen und kommerziellen Raum, in dem die Briten andererseits echte Meister sind. Sie wollen sich auf der Basis ihres ehemaligen Imperiums positionieren: des Commonwealth.

Für dieses Jahr sind mehrere Veranstaltungen organisiert mit dem Ziel der Vorbereitung der Stärkung der Handelsbeziehungen zwischen London und den anderen Mitgliedern dieser zwischenstaatlichen Organisation. Das Department of International Trade wird im April 2018 Gastgeber des Commonwealth-Gipfels sein und das britische Engagement für einen freien und globalen Handel ist der erste Tagesordnungspunkt dieses Treffens. Daran hat Theresa May am 13. März (Commonwealth Tag) erinnert: „In dem Moment, in dem wir versuchen ein echt globales Großbritannien zu schaffen, können uns die tiefen Partnerschaften, die wir durch einen Commonwealth des 21. Jahrhunderts teilen, helfen, den Wohlstand und die Sicherheit unserer eigenen Bürger und der unserer vielen Freunde und Verbündeten auf der ganzen Welt zu stärken[2].

Noch zielgerichteter und vielleicht konkreter organisiert die nordwestliche Region Englands ebenfalls ein Treffen zwischen 300 Unternehmensvertretern und Experten für die Beziehungen mit dem Commonwealth. Die Veranstaltung markiert den Start der ersten Merseyside & Cheshire Commonwealth Association, deren Ziel ein großes Netzwerk zwischen Einzelpersonen und Organisationen ist, die bei der Förderung der Handels- und kulturellen Beziehungen zwischen dem Nordwesten Englands und den 52 Mitgliedsstaaten der zwischenstaatlichen Organisation engagiert sind[3].

Abbildung – Anteil der Eurozone und des Commonwealth an der Weltwirtschaft, 1970-2016. Quelle: Asia Briefing.

Der Vorteil der Sprache und des Rechtssystems

In dieser Art von Beziehungen hat Großbritannien auf der internationalen Ebene seine eigene Vorteile. Seine Sprache und sein Rechtssystem sind die wichtigsten, der Einfluss seiner Universitäten, seine Fähigkeit zur Innovation und zur wissenschaftlichen und technologischen Forschung sind Soft-Power-Elemente, die ebenfalls in den Dienst des internationalen Handels gestellt werden können. Open Europe ist in einem Bericht über die Handelsprioritäten außerhalb der EU der Ansicht, dass für Großbritannien die interessantesten Länder Kanada, Indien und Israel sind. Die beiden ersten sind Teil des Commonwealth, Kanada hat die gleiche Amtssprache und die beiden anderen verwenden sie weitgehend. Alle drei haben das gleiche Rechtssystem[4]. Diese Faktoren waren beim internationalen Handel, der vor allem auf dem Verständnis zwischen Kunden und Lieferanten und auf der Fähigkeit zur Umsetzung des sie verbindenden Vertrages beruht, schon immer ausschlaggebend.

Ungenutztes Handelspotential

In derselben Studie bewertet Open Europe ungenutzte Potentiale in bestimmten Schwellen- oder Industrieländern. Unter denen mit den besten Chancen findet man drei Commonwealth-Länder: Kanada, Indien und Nigeria.

Kanada erscheint heute und nach dieser Studie als das Land, das die wichtigsten Chancen für Großbritannien bietet, mit einer potentiellen Ausweitung des Handels in einer Größenordnung von 7 Milliarden Pfund. Um dieses Potential nach dem Brexit maximal zu nutzen, empfiehlt der Think-Tank, das kürzlich mit der Europäischen Union verhandelte Abkommen (CETA) als Grundlage zu nehmen. Justin Trudeau scheint das übrigens nach dem Besuch Theresa Mays in Ottawa im letzten September mehr zu unterstützen[5]. Anschließend wäre es gut, es durch die Ausweitung auf Dienstleistungen und insbesondere Finanzdienstleistungen an die britischen Besonderheiten anzupassen. Im Austausch könnte Großbritannien den kanadischen Bürgern einen leichteren Zugang nach Großbritannien anbieten, um dort zu leben oder zu arbeiten. Derzeit haben sie keinen besonderen Vorteil.

Nach Open Europe würde bis 2030 Indien die besten Chancen bieten, weil das Land und seine Region in den kommenden Jahren ein größeres Wachstum sehen wird als die entwickelten Länder. Da Indien eines der protektionistischsten Länder der Welt ist[6], wird es für Großbritannien sehr viel schwieriger werden, diese Beziehung zu vertiefen. Ohne zu berücksichtigen, dass die Engländer dort keine guten Erinnerungen hinterlassen haben …[7]

Auch Nigeria bietet nach Open Europe interessante Geschäftsmöglichkeiten in einer Größenordnung von fast 3 Milliarden Pfund. Aber auch hier werden große Schwierigkeiten wegen der Instabilität des Landes gesehen. Ein Freihandelsabkommen wäre deshalb schwierig und sollte mittelfristig angestrebt werden, jedoch könnte eine britische Unterstützung für die Entwicklung des Landes Früchte tragen, sie könnte auch speziell auf wichtige Infrastrukturprojekte ausgerichtet werden… (GEAB 123 Auszug / März 2018)

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[1] „UK faces struggle to redesign trade relationships, in charts“. Quelle: Financial Times, 03/02/2017
[2] „As we look to create a truly Global Britain, the deep partnerships that we share through a 21st Century Commonwealth can help us strengthen the prosperity and security of our own citizens, and those of our many friends and allies across the world.” Quelle: Independent, 13/03/2017
[3] Quelle : LBN Daily, 07/03/2018
[4] Quelle: Open Europe, 25/04/2017
[5] Quelle: Independent, 18/09/2017
[6] Quelle: Doing Business, 2018
[7] Die britische Kolonialisierung Indiens war unglaublich gewalttätig, was viele Quellen belegen. Zum Beispiel: Colonial Justice in British India: White Violence and the Rule of Law, Cambridge Studies in Indian History and Society. Quelle: Amazon

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