Home Blog Finanzkrise 2018-2020: Einen Dollarregen in eine reiche Ernte transformieren

Finanzkrise 2018-2020: Einen Dollarregen in eine reiche Ernte transformieren

Vor allem ist die Verbindung zwischen Verschuldung und Geldschöpfung für niemanden eine Geheimnis. Schematisch wird Geld geschöpft, um Finanzierungsbedarf zu decken, der die Schaffung von entsprechenden Werten erwarten lässt. Da, wo man früher Gold aus der Erde graben musste, um Geld für den Handel mit industriell hergestelltem Reichtum zu schöpfen, hat das Ende der Abkommen von Bretton Woods die Verbindung zwischen der Geldschöpfung und dem Gold unterbrochen, um sie mit einem für die Bewertung von geschaffenem Reichtum relevanteren Rohstoff, dem Öl, zu ersetzen. So war die Kontrolle der Vereinigten Staaten über Saudi-Arabien ein Meisterstück, um die Verbindung zwischen der amerikanischen Währung, den Ölreserven und der Schaffung von Reichtum auf globaler Ebene herzustellen. Die Vereinigten Staaten druckten durch saudisches Öl gedeckte Dollars, um in der ganzen Welt produzierte Güter zu kaufen. Dieses System funktionierte, solange der Ölverbrauch ein relativ brauchbarer quantitativer Indikator für die Erzeugung von Reichtum (oder  Wirtschaftswachstum) war. Aber um 2005 begannen zwei Phänomene diese Beziehung durcheinander zu bringen:

. Einerseits führte das Internet-Zeitalter zu einem gigantischen Bereich von Aktivitäten, die zwar Werte schaffen, aber nicht vom Ölverbrauch abhängen.

. Und andererseits hörte das Öl, das mit einer Aussicht auf Knappheit (Peak Oil) konfrontiert und durch das Auftauchen von alternativen Energien (erneuerbare, Gas, usw.) bedroht war, auf, ein brauchbarer Wirtschaftsindikator zu sein – außer der Preis wird so nach oben getrieben, dass keiner es mehr kaufen kann.

Gesamtwert des Weltölmarktes zum WTI-Preis (Jahresdurchschnitt, multipliziert mit der Produktion), 2005-2016 in Milliarden Dollar. Quelle: LEAP nach Investing und BP.

 

Die Ölproduktion stagniert genau zu dem Zeitpunkt, an dem der Bedarf an Dollars explodiert, um das Auftauchen der Schwellenländer und ihr immenses Potential für die Schaffung von Reichtum zu bewältigen.

Die Vereinigten Staaten stehen daher vor folgendem Dilemma: Ihre Währungs-Vorherrschaft  aufgeben und zulassen, dass der Euro, zum Beispiel gestützt auf die iranischen Reserven, das Währungsangebot vervollständigt; oder ohne Öl Dollar drucken. Wir sind jetzt ungefähr im Jahr 2006 und der Feburar-GEAB verbindet das für den März 2006 vorgesehene Projekt einer Börse für iranisches Öl in Euro, was der ersten Option entspricht, mit der genau zum selben Zeitpunkt erfolgten Unterdrückung des Geldmengenindikators M3, was der zweiten Option entspricht.

Da sich die Vereinigten Staaten für die zweite Lösung entschieden, wurden sie mit der Herkules-Aufgabe der Versorgung der planetaren Bedürfnisse mit ihrer nationalen Währung konfrontiert, um den Preis einer großen Verstärkung der Monetarisierung einer wachsenden Verschuldung. Europa musste bald zur Hilfe kommen, sowie alle Zentralbanken der wichtigsten weltweiten Währungen (Großbritannien, Japan …), was dazu beigetragen hat, die plötzliche Verschuldung-Explosion der Vereinigten Staaten bis 2010 etwas zu stabilisieren.

Umfang der quantitativen Lockerung der weltweiten Zentralbanken auf zwölf Monate, in Prozent des weltweiten BIP, 2007-2020. Quelle: Financial Times.

Während dieses gesamten Zeitraums waren Geldschöpfung und Verschuldung das einzige Bindeglied zwischen Geld und Wirtschaft, wobei die Schulden der einen (industrialisierte Länder) der Bereicherung der anderen (Schwellenländer) entsprachen, ein langfristig völlig untragbares, da Blasen erzeugendes System. Tatsächlich könnte das geschöpfte Geld, das der Kontrolle der Geldschöpfer entflieht, auch in echt Reichtum erzeugende Projekte fließen anstatt in Finanzmanipulationen. Wenn man von leichtem Geld spricht, dann vor allem wegen der vom System erzeugten vollständigen Entkopplung der Geldschöpfung von der Investitionsentscheidung.

Verkleinerung des Dollar-Territoriums

Aber kommen wir zu unserem Yuan zurück. China ist eine Industriemacht, die anscheinend die Geldschöpfung mit dem Energieverbrauch verbinden will. Es sei darauf hingewiesen, dass seine Schanghaier Börse übrigens nicht nur ein Handelsplatz für Öl ist, sondern für Energien im weiteren Sinne: Shanghai International Energy Exchange (INE). Auf eine gewisse Art kehren die Kryptowährungen zum Prinzip des Bergbaus (Mining) zurück, sie verbinden die Geldschöpfung mit dem Stromverbrauch, wie wir es in den vorangegangenen Artikeln zu diesem Thema gesehen haben. Schließlich ist es bekannt, dass China seine offiziellen Goldreserven von 2009 bis heute verdreifacht hat[1]. China scheint also an in der Realität verankertem Geld zu glauben.

Um seine Energie in Yuan zu bezahlen und einen weltweiten Markt mit Geld zu versorgen, muss China jetzt seine Geldmenge beträchtlich erhöhen. Dieser Anstieg wird im Wesentlichen zu einer Verengung des Territoriums des US Dollars führen.

Machen wir eine Abschätzung der Größenordnungen. Je nach Konjunktur schwankt der Gesamtwert des Ölmarktes bekanntlich um 2 000 Milliarden Dollar. Der Schanghaier Markt hat schon 12% dieser Summe übernommen. Wenn das in den kommenden Monaten auf 20% ansteigt, entspricht das schon 400 Milliarden Dollar, die in die Vereinigten Staaten zurückkehren müssen. Aber das ist offensichtlich nur ein Anfang, da nach der Emanzipation des Yuan zweifellos insbesondere der Euro seine Rolle zu spielen hat. Und wir haben noch nicht berücksichtigt, dass ein großer Teil des Welthandels und nicht nur das Öl in Dollar bezahlt wird … Man kann also konservativ abschätzen, dass sich das Dollar-Territorium um mindestens 1000 Milliarden Dollar pro Jahr verkleinern wird, das sind ungefähr 5% des BIP der Vereinigten Staaten und insbesondere 7% der Geldmenge M2 des Landes. Diese Verkleinerung erzeugt für das Land eine Geldvernichtung, die mehrere Formen annehmen kann (und die zweifellos alle annehmen wird):

. Abwertung und begleitende Inflation[2]
. Banken- und Unternehmensinsolvenzen
. Große Investitionen.

Aber es trifft sich gut, dass jede dieser Plagen realen wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Vereinigten Staaten entspricht:

. Die Abwertung erlaubt die Ankurbelung der Exporte, während die Inflation als Steuer wirkt und die Verschuldung mechanisch reduziert.
. Die Bankeninsolvenzen ermöglichen es, das wirtschaftliche Gefüge zu bereinigen und Geld für wettbewerbsfähigere Bereiche freizusetzen.
. Die großen Investitionen ermöglichen eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung und eine Modernisierung der wirtschaftlichen Infrastruktur.

Diese Plagen (auf jeden Fall die beiden ersten) werden jedoch die Menschen hart treffen in Form von Kaufkraftverlust und Arbeitslosigkeit, und das in einer Gesellschaft, in der die Sozialleistungen in keinem guten Zustand sind. Diese beiden ersten Punkte werden eine starke Kontrolle der Medien notwendig machen, damit das Schiff nicht zu sehr ins Schlingern gerät. Aber diese Kontrolle ist schon teilweise implementiert, und zwar sowohl in den sozialen Netzwerken als auch in den traditionellen Medien. Der Kampf gegen den Terrorismus und die russische Propaganda hat dieser Sache sehr gedient.

Der dritte Punkt erfordert eine starke politische Führung, die in der Lage ist, Großprojekte für den öffentlichen Bereich umzusetzen. 2008 haben die amerikanische politische Schwäche und die simple Abwesenheit von politischer Führung in Europa es nicht erlaubt, die Krise durch die Implementierung von Großprojekten, die das gedruckte Geld aufnehmen, aufzulösen, doch dieser Zustand ist gerade dabei, sich zu ändern.

In den Vereinigten Staaten hat Trump Wahlkampf gemacht mit dem Thema der Ankurbelung der Wirtschaft durch Großprojekte, wobei er den immensen Infrastruktur-Nachholbedarf in Amerika thematisiert hat. Im Moment rechnet er nur mit 200 Milliarden aus dem Bundeshaushalt, um einen Plan von 1 500 Milliarden zu starten. Aber von den fehlenden 1 300 Milliarden wird ein Teil von den Bundesstaaten finanziert werden (also auch vom öffentlichen Sektor)[3]. Außerdem sollte die US Regierung neuen Haushaltsspielraum bekommen, sobald das Wachstum der US Schuldenkurve unter der Wirkung der durch die Verkleinerung des Territoriums des Dollars erzeugten Inflation einen Knick bekommt.

Das bedeutet, dass die Dollars nicht allein in die Vereinigten Staaten zurückkehren können, der inflationistische Effekt wäre zu groß. Die ganze Welt muss deshalb in der Lage sein, die riesigen Mengen an US Dollars zu absorbieren, die die nationalen Devisenreserven verlassen werden, um durch Yuans ersetzt zu werden. Wo liegt also das Potential für die Übersetzung dieses ganzen Geldes in wirtschaftlichen Reichtum? Wir haben oft davon gesprochen: die von China gestartete Seidenstraße, die Mega-Cities vom Typ NEOM, die gigantischen indischen Solarpark-Projekte, die riesigen Infrastrukturbedürfnisse Afrikas … Das China von Xi, das Saudi-Arabien von MBS, das Indien von Modi, das Afrika der Partnerschaft zwischen China und der AU[4]… all diese Regionen sind dazu bereit, diesen Dollarregen zu verwenden, der sich anschickt, aus den Safes der nationalen Reserven zu fließen, und ihn in Entwicklung umzusetzen. Das ist übrigens kein Zufall! All diese Agenden werden kontrolliert und koordiniert, weil weder China, noch die Vereinigten Staaten, noch Europa eine Finanzkatastrophe wollen[5].

Europa ist noch nicht ganz bereit. Sicherlich gibt es einen Prozess der Re-Politisierung, aber er läuft derzeit in den Mitgliedsstaaten ab, von denen keiner die Kapazität haben wird, Projekte von der Größe des Kontinents zu starten. Es braucht eine starke Führung auf der Ebene der Eurozone, damit starke Entscheidungen getroffen werden, die es erlauben, die Großprojekte zu planen, die unser Kontinent braucht, um sich der weltweiten Dynamik anzuschließen. Das heißt, Europas Bedarf ist tatsächlich geringer und es wird mehr Phantasie brauchen, um in Potential für Reichtum zu investieren, ohne Mega-Cities zu bauen, die Europa nicht verkraften kann. Der Wiederaufbau unseres Sozial- und Gesundheitssystems könnte einen interessanten Weg darstellen. Die 1 000 Milliarden für das Klima von Pierre Larrouturou einen anderen[6] …  Aber vor allem müssen die Staaten der Eurozone sich verständigen, um politische Kapazität zu erzeugen. Es ist kein Zufall, dass Emmanuel Macron immer wieder auf dieses Thema zurückkommt … und dass LEAP fast acht Monate an einer Kompilation von Artikeln[7] von führenden Experten aus der ganzen Welt gearbeitet hat, die die Debatte über die Reform von „Euroland“ (wie wir die Eurozone nennen) zusammenfasst… (GEAB 125 Auszug / May 2018)
_______________________________________________

[1]  Quelle: Trading economics. Und einige denken, dass China bei weitem nicht alle seine Reserven deklariert hat …
[2]  Wenn sich die Geldmenge des Landes um 7% vergrößert und dabei die Produktion unverändert bleibt, dann müssen die Preise mechanisch um 7% steigen … und der Dollar in der gleichen Größenordnung abwerten.
[3]  Quelle: New York Times, 12/02/2018
[4]  Die Afrikanische Union hat in letzter Zeit an Dynamik gewonnen, wie man im Kalender in dieser Ausgabe erfahren kann in dem Punkt, der dem nächsten AU-Gipfel vom 1.-2. Juli in Nouakchott gewidmet ist. Siehe weiter hinten.
[5]  Die dringlichen Krisenankündigungen sollen vor allem warnen (gerade warnt der IWF vor der protektionistischen Reaktion, die Trumps Entscheidung zu den Zöllen auslösen könnte). Aber eine auf solchen Einflussebenen antizipierte Krise ist eine Krise, die abgewendet wird. Großer Unterschied zu 2008!
[6]  Quelle: Le Monde de l’Energie, 15/03/2018
[7]  Sonderausgabe (englisch): „Euroland at a crossroads“. Quelle: LEAP, 27/03/2018

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