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Der monatliche Informationsbrief des Laboratoire européen d'Anticipation Politique (LEAP) - 15 Sep 2018

Wie wird transatlantische Beziehung, an der Donald Trump arbeitet, aussehen?

Die Multi-Polarisierung des Planeten durchläuft derzeit die Phase der Bi-Polarisierung, was wir schon 2009 für den Fall antizipiert haben, dass es Europa nicht gelingt, sich intelligent, unter hellsichtiger Berücksichtigung der großen weltweiten geopolitischen Rekonfiguration neu zu positionieren.

Nach dem Nahen und Mittleren Osten (derzeit erfolglos, da das iranische Regime noch nicht gefallen ist[1] – aber die Sanktionen werden im November zu wirken beginnen[2]) haben die Vereinigten Staaten von Trump begonnen, sich ernsthaft mit dem Wiederaufbau der transatlantischen Beziehungen zu befassen, die sie zur Sicherstellung ihres wirtschaftlichen Aufschwungs und zum Versuch der Beibehaltung ihrer Dominanz angesichts des wachsenden Einflusses Chinas brauchen.

Mit seinem vieldiskutierten „Handelskrieg“ hat Trump in der Tat diese Bi-Polarisierung zwischen einer chinesischen Welt und einer amerikanischen Welt, der seine Politik dient, ausgelöst: auf der einen Seite die Länder/Regionen, die ihre Märkte auf China ausrichten[3], auf der anderen Seite die, die lieber ihre Ränge um Washington herum schließen, als den amerikanischen Markt zu verlieren[4] … insbesondere jetzt, wo die amerikanische Volkswirtschaft einen Aufschwung erlebt[5].

Was Europa betrifft hatte unser Team nie Zweifel daran, dass es bei einer ihm auferlegten Entscheidung erst einmal zum Gewohnten zurückkehren würde, anstatt sich für ein Abenteuer mit dem Osten zu entscheiden. Trump zwingt derzeit Europa zu dieser Entscheidung und es entwickelt sich gerade eine neue Ausprägung der transatlantischen Beziehungen: in dieser Ausgabe werden wir die herausragenden Merkmale, die wir schon erkennen können, beschreiben. Wir analysieren auch den politischen Prozess, mit dem das Amerika von Trump seine Ziele erreichen will, ein Prozess, der ein entscheidender Faktor bei der Serie von Transformationen sein wird, die die EU gerade zu erleben beginnt. Wir sind weiterhin der Ansicht, dass die Europawahl von 2019 ein Wendepunkt in diesen Entwicklungen darstellen wird.

Ein amerikanisches Übernahmeangebot für Europa?

Hier drei Informationen, die auf eine Verschärfung der Europa-Politik der Vereinigten Staaten hinweisen:

. Zuallererst das Treffen zwischen Juncker und Trump diesen Sommer, als die Europäer am Strand lagen, im Verlauf dessen der Präsident der Europäischen Kommission im wahrsten Sinne des Wortes Treue geschworen und alle Bedingungen des amerikanischen Präsidenten akzeptiert hat: Kauf des amerikanischen Flüssiggases, das man bis jetzt zurückgewiesen hat, Kauf der amerikanischen Sojabohnen, die die Chinesen als Vergeltung für die ihren Produkten auferlegten Zölle nicht mehr abnehmen, Schulterschluss gegen China (das wurde im Bericht nicht explizit erwähnt, aber trotzdem klar ausgedrückt im Punkt gemeinsames Ziel des „Schutzes der amerikanischen und europäischen Unternehmen gegen die unlauteren Handelspraktiken“) und schließlich die Absicht von ernsthaften Verhandlungen über ein transatlantisches Handelsabkommen[6]. Im Gegenzug für all diese Zugeständnisse beschränkte sich Trump großzügigerweise darauf, die Zölle für europäische Autos auszusetzen, solange die EU am Verhandlungstisch bleibt. Was die Zölle für Stahl und Aluminium betrifft, so wurde die Frage nicht behandelt, also bleiben sie weiter in Kraft.

. Mehr anekdotisch, aber doch erhellend: der neue, im letzten April gewählte Premierminister von Grönland, Kim Kielsen, hat seine parlamentarische Mehrheit nach dem Ausscheiden der Unabhängigkeitspartei „Partii Naleraq“, die für die vollständige Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark bis 2021 eintritt, aus seiner Koalition verloren. Diese Partei hielt die Entscheidung der Regierung, die Renovierung der drei grönländischen Flughäfen aus dänischen Mitteln statt aus chinesischen zu finanzieren, für unakzeptabel. Aber es ist merkwürdig, dass sowohl Dänemark als auch Grönland als Grund für diese Entscheidung anführen, dass sie die USA nicht kränken wollen (für die Grönland eine wichtige strategische Basis darstellt)[7]. Die Einmischung hat hier den Vorzug, offensichtlich zu sein![8]

. Und dann gibt es den Aufbruch für eine Sammlung der europäischen sogenannten „souveränistischen“ äußersten Rechten unter der Führung des Amerikaners und ehemaligen Chefstrategen von Trump, Steve Bannon. Eine Sammlung, die schon anfängt Erfolg zu haben, da Matteo Salvini, stellvertretender Regierungschef von Italien und Präsident der Bewegung Lega Nord, dem Projekt beigetreten ist[9]. Die anderen führenden Köpfe der europäischen äußersten Rechten hängen an seinem Gesäß[10]. Wetten, dass der nächste sichtbare Beitritt aus den Niederlanden kommt[11]. Soviel zur Verteidigung der europäischen Souveränitäten …

Diese Art von Nachrichten bestätigen das Szenario, das wir kurz nach Trumps Wahl formuliert hatten, als wir, entgegen allen damaligen Annahmen über eine unvermeidliche  Entfremdung Europas von den Vereinigten Staaten mit einem solchen Präsidenten an ihrer Spitze, vor dem Risiko der Ersetzung der Europäische Union durch eine „Transatlantische Union“ warnten[12].

Angesichts bestimmter neuer Entwicklungen und des Näherrückens der nächsten Europawahl ist es Zeit, eine Bestandsaufnahme dieser konkreter werdenden Antizipation zu machen.

Ausgangspunkt: das neue NAFTA

Wie allgemein bekannt verwendet Trump Verhandlungstechniken aus der „Spieltheorie“[13] , die man im Wesentlichen damit zusammenfassen kann, „so verrückt wie möglich“ zu spielen[14]. Aber was strebt er an?[15]

Trump möchte den Welthandel auf eine Weise reorganisieren, die den Interessen seines Landes besser dient und deshalb die nationalen Souveränitäten allgemein besser integriert[16]. Er hat die großen Verhandlungsarenen (G7, WTO, usw.) diskreditiert und lädt den ganzen Planeten an seinen Tisch ein: Mexiko, Kanada, Europa, China …

Das Ergebnis des Rennens in diesem Sommer: Mexiko erklärt sich einverstanden mit einem neuen NAFTA Abkommen[17], Kanada zögert noch mit dem Beitritt, wird dies aber letztlich zweifellos tun. Die Stolpersteine sind:

. seitens der USA: der bedingungslose Zugang von amerikanischen Milchprodukten zum kanadischen Markt[18]

. seitens  Kanadas: die bedingungslose Integration der ISDS-Klauseln und anderer Streitbeilegungsmechanismen in das neue Abkommen[19].

Diese Klauseln, die die Anti-CETA- und Anti-TTIP-Aktivisten auf beiden Ufern des Atlantiks mobilisiert haben, wurden auf Verlangen von Trump und nach einer prompten Zustimmung des neuen mexikanischen Präsidenten gestrichen. Dagegen kündigt Kanada schon an, dass seine Lobbies die Unterschrift unter einen Vertrag ohne diese Klauseln blockieren werden … Es ist schwierig, den Kompromiss zu erraten, den Mexiko, die Vereinigten Staaten und Kanada zu diesem Punkt finden werden, aber sie werden einen finden. Und wir wetten, dass das Modell auch Eingang in das große transatlantische Abkommen finden wird.

Abbildung 1 – Handel zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko. Quelle: Seeking Alpha.

Die Vereinigten Staaten stehen also schon kurz davor, im Gewaltmarsch die Ränge eines Nordamerikas geschlossen zu haben, dessen Zusammenhalt definitiv am Zusammenbrechen war. Vor allem, weil die jüngste Unterzeichnung des vielzitierten CETA-Abkommens zwischen Kanada und der EU den Einfluss der Vereinigten Staaten auf seinen nördlichen Nachbarn seit seiner Annahme durch das Europäische Parlament im Februar 2017 verringerte[20].

Wenn Trump von einer Neuausrichtung der weltweiten Handelsbeziehungen zugunsten der Vereinigten Staaten spricht, dann muss man ihn anhören: Wenn Europa für einige Jahrzehnte seinen Markt und seine Infrastrukturen entwickeln konnte, dann auch deswegen weil es nichts oder nur wenig in seine Verteidigung investieren musste. Ebenso gab die Abhängigkeit Europas vom amerikanischen Finanzsystem ihm für wenig Kosten Zugang zu mächtigen Instrumenten des internationalen Einflusses …  Die Preisgabe Europas an den Transatlantismus, die wir oft kritisieren, da sie eine kurzfristige und wenig gewinnträchtige Strategie ist, erklärt sich auch durch die Möglichkeiten, die sie den europäischen Wirtschaftsinteressen gab. Aber dieser amerikanische Einfluss über Europa wurde für die Vereinigten Staaten teuer. Da der permanente Abfluss seiner Dollars in den  Rest der Welt – insbesondere nach Europa an ihrem Reichtum zehrte, tendierte die Einflussbeziehung oft dazu, sich zwischen den beiden Seiten des Atlantiks in bestimmten Bereichen umzukehren: Kauf von größeren amerikanischen Unternehmen durch die Europäer[21], präferentielles Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, Anwendung des europäischen Regulierungssystems[22], usw.. Es ist wahrscheinlich, dass in dem nächsten transatlantischen Modell, das uns Trump zubereitet, die Europäer dafür zahlen müssen, dass sie die Vereinigten Staaten weiterhin als freiwilligen Friedenshüter und Geldautomaten benutzen.

Natürlich ist diese Darstellung der alten transatlantischen Beziehung eine Karikatur, aber es ist wichtig zu verstehen, wie ein Teil des amerikanischen Establishments Europa wahrnimmt … und warum die Verhältnisse sich gerade ändern.

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Zusammenfassung

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