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GEAB 111

Der monatliche Informationsbrief des Laboratoire européen d'Anticipation Politique (LEAP) - 15 Jan 2017

China 2017 – Vor einem vollständigen Richtungswechsel

Seit Deng Xiaoping in den siebziger Jahren absolute Priorität für die wirtschaftliche Entwicklung gegeben hat[1], hat China enorme Opfer gebracht. Es hat viel und für wenig Geld gearbeitet, dabei seine Umwelt beträchtlich verschmutzt und wurde in kürzester Zeit zur Werkbank der Welt.
Aber alle seine Opfer waren nicht umsonst. 1993, also nicht einmal 15 Jahre später, konnte Schanghai zum Beispiel seine erste ultra-moderne U-Bahn-Linie in Betrieb nehmen[2]. Wir haben dieses Beispiel nicht zufällig ausgewählt: der Bau von U-Bahn-Linien ist immer ein guter Indikator für wirtschaftliche und administrative Gesundheit einer Stadt oder eines Landes.

Abbildung 1 – BIP pro Kopf der Bevölkerung in China und in Indien 1950-2010. Quelle: Wikipedia

Chinas schwierige Integration in die Staatengemeinschaft

Nach dem Fall des sowjetischen Blocks hat sich die Neupositionierung Chinas im Verhältnis zum Rest der  Welt beschleunigt. Seit den neunziger Jahren hat dieses große Land den umfassenden und langsamen Prozess der systemischen Transformation verstärkt und sich dabei vom Prinzip der graduellen Angleichung an das internationale System leiten lassen.

In wirtschaftlicher Hinsicht handelt es sich um den Übergang zu den Prinzipien der westlichen Marktwirtschaft, die mit Zustimmung der Partei von einer Generation von offen „reformorientierten“ Ökonomen umgesetzt wurde. Herausragende Vertreter dieser Generation sind Wu Jinglian[3] oder Zhou Xiaochuan[4] (derzeit Gouverneur der Chinesischen Volksbank).

1992 beschloss die Partei, dass die Ressourcen durch den Markt und nicht mehr durch den Staat zugeteilt werden. Und von 1998 bis 2003 wurde im Rahmen dieser internationalen Angleichung ein umfassender Prozess der Deregulierung, Liberalisierung  und Privatisierung unternommen. Die Ergebnisse ließen nicht auf sich warten. 2001 erhielt China die Erlaubnis, der WTO beizutreten.
Aber die Aufnahme einer ultra-dynamischen Volkswirtschaft von 1,4 Milliarden Menschen in das gut regulierte internationale Spiel hat einen Umbruch ausgelöst, von dem sich die WTO nie ganz erholt hat[5].
Tatsächlich ist es leicht zu verstehen, dass alles gut lief, solange die Globalisierung und ihre Institutionen im Dienst eines einzigen Machtpols standen, des Westens, der sie geschaffen hat. Doch als China am Tisch Platz nahm, stellte sich die Frage, wer jetzt vom Spiel profitieren würde. Die Doha-Runde, die einen Monat vor der Integration Chinas in die WTO begann, und zur Aufgabe hatte, in drei Jahren die Liberalisierung des Welthandels zu bewerkstelligen (mit dem erklärten Ziel der Entwicklung der Länder der Dritten Welt), wurde von denen blockiert, die sie gefordert hatten: vom Westen.
Das Scheitern der Doha-Runde markiert eine nachhaltige Schubumkehr des Globalisierungs-Impulses. Während die Globalisierung in Dienst eines einzigen Pols einfach war (nämlich Imperialismus), hat der Einstieg Chinas in das Spiel einen tiefgehenden strukturellen Wandel dieser Dynamiken provoziert. Dies hat zum Begriff der multipolaren Welt geführt. Diese war zunächst bipolar, aber es entwickelten sich sehr schnell weitere Pole, wie zum Beispiel Indien, der aufstrebende globale Riese. Jedoch konnte die jüngste Geschichte die Multipolarität nur in der Logik der Konfrontation angehen.

Mit einer Ausnahme: die Erfahrungen von regionaler Integration, die mit flachen Machtstrukturen basierend auf Komplementarität und Win-Win arbeiten. Aus diesen Erfahrungen hätte sich die Welt die Werkzeuge für die Strukturierung der neuen globalen Realitäten schöpfen sollen. Aber das Modell, das sich letztlich entwickelt hat, ist das des Kalten Kriegs …

Unsere Leser wissen, dass wir die Anstrengungen Chinas aufmerksam verfolgt haben. Diese waren zuerst darauf ausgerichtet, sich im Guten in das existierende internationale System (WTO, G20, …) zu integrieren. Dann hat China seine eigene Wirkung verdünnt und sich auf die reformorientierte BRICS-Dynamik, die der flachen Logik der regionalen Integration sehr nahe kommt, eingelassen. In diesem Rahmen hat es versucht, eine internationale Währungsreform zu initiieren, um die Vereinigten Staaten und die Welt aus der Dollar-Einbahnstraße zu führen[6], war heftigen Angriffen des Westens gegen die BRICS-Initiative ausgesetzt[7] und hat sich auf eine Strategie der Schaffung einer Reihe von neuen internationalen Institutionen (OBOR – ein Gürtel, eine Straße, NDB, AIIB, usw.) zurückgezogen.

Ende der chinesischen Geduld

Es hat sich bis zu diesem Punkt entwickelt und bis hierhin hat China geduldig die Karte der globalen Integration gespielt. Es hat um sich herum ein Netzwerk von Handels-, Wirtschafts-, politischen und strategischen Partnerschaften mit einer wachsenden Zahl von Ländern und Regionen entwickelt mit besonderem Augenmerk auf engen Beziehungen in der geographischen Nähe. Auf diese Weise hat es eine Annäherung auf Augenhöhe nicht so sehr mit den einzelnen südostasiatischen Ländern, sondern eher mit ihrem Zusammenschluss, der ASEAN (gestärkt durch die chinesische Anerkennung ihrer Relevanz) erreicht, obwohl in ihr notorische „Feinde“ (Vietnam, Japan, Südkorea, den Philippinen …) vertreten sind.

In wenigen Jahren hat China erhebliche Siege erzielt, zuletzt die Absetzung der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-Hye, die verstrickt ist in die Netze des amerikanischen Raketensystems THAAD, des Garanten für die nachhaltig schlechten Beziehungen mit China, und ihrer wahrscheinlichen Ersetzung durch jemanden, der China gegenüber versöhnlicher ist[8]. Der andere große Fortschritt der chinesischen Interessen in der Region ist die Herauslösung der Philippinen aus dem amerikanischen Einfluss.

Die US-China-Krise im Südchinesischen Meer und auch die EU-Russland-Krise in der Ukraine hätten die Gelegenheit sein können, um neue Kooperationsachsen zwischen diesen Regionen und zwischen China und den Vereinigten Staaten zu schaffen. Stattdessen haben sich die Konflikte verhärtet und und zur Logik von „Entweder für uns oder gegen uns“ geführt, was die Länder zwingt, Position zu beziehen, währen das einzige Mittel zur Garantie einer relativen Unabhängigkeit darin besteht, nicht wählen zu müssen.

Seit 2014 und der Ukraine-Krise strukturiert sich die Welt deshalb immer mehr in zwei gegnerische Lager und auch die multipolaren BRICS müssen sich dieser Regel beugen. Eine Konfrontation zwischen den USA und China nähert sich mit großen Schritten.

Die Vereinigten Staaten werden in den nächsten Monaten versuchen, Russland in ihr Lager zu ziehen. Und China wird über die Neue Seidenstraße ein letztes Mal versuchen, Europa ihn seines zu ziehen.
Unser Team sieht trotzdem noch letzte Hoffnungsstrahlen, die das düstere Szenario von uns fernhalten könnten: der reformorientierte Portugiese Antonio Guterres[9] an der Spitze der UNO oder die Stärkung der G20 als globale politische Plattform unter der Initiative von China und, so hoffen wir wenigstens, unterstützt durch Deutschland im nächsten Juli[10] oder auch die Perspektiven für eine Neuordnung des Nahen Ostens im Zuge der Beendigung des Kriegs in Syrien. Aber es ist trotzdem schwierig, optimistisch zu bleiben, wenn man klar erkennt, in welche Richtung uns die wichtigsten Trends führen.
Der Zustand der chinesischen Positionierung in der Welt von heute erlaubt es, verschiedene Beobachtungen anzustellen:

. Die Ausbreitung seines Einflussbereichs stößt jetzt an Klippen, die ihm die Grenzen zeigen, die es nicht überschreiten soll: Auf der einen Seite Indien (das sich mit seinem großen Demonetarisierungsprojekt aus seiner finanziellen Abhängigkeit von China gelöst hat, kein gutes Vorzeichen für die künftigen Beziehungen der zwei Riesenreiche) und auf der anderen Seite Japan (ein Land das nicht bereit ist, sich endlich von der strategischen Bevormundung durch die USA zu befreien).

. Dagegen sind, wie wir gesehen haben, die Bedingungen gegeben für eine gesunde Zusammenarbeit mit der ASEAN und die gigantischen Infrastrukturprojekte entsprechen einem echten Finanzierungsbedarf der Region und sind daher unwiderstehlich.

. Das Yuan Finanzsystem, sehr gestärkt durch die massiven Verkäufe von chinesischen Devisenreserven und ihrer Umwandlung in Yuan, ist jetzt eine Realität, bereit ein multi-monetäres internationales Finanzsystem zu integrieren, aber auch, im Fall einer Zurückweisung, sich auf regionale Aktivitäten zu konzentrieren.
China ist eindeutig am Ende einer langen Reihe von Versuchen, sich international kompatibel zu machen: positive Teilnahme an internationalen Organisationen, umfassende interne Wirtschaftsreformen, transnationale Investitionsprojekte und die Schaffung von Ad-hoc-Tools.

China ist heute bereit, ähnlich wie Russland im Jahr 2013 bereit war für sein offizielles Debüt auf der internationalen Bühne und auf seine Olympischen Spiele setzte, um diese Anerkennung zu symbolisieren. Aber …

Konfrontation zwischen China und den USA

Aber Amerika schließt sich ab und positioniert sich klar in Richtung auf eine Konfliktualisierung seiner Beziehungen zu China. Es steht insbesondere die Drohung im Raum, China der missbräuchlichen Währungsmanipulation zu beschuldigen[11], was „legale“ protektionistische Sanktionen möglich machen könnte (seit wann brauchen die USA für so etwas einen legalen Rahmen?). Man kann allerdings den Irrglauben der Vereinigten  Staaten in der folgende Abbildung sehen, in der die Entwicklungen des Dollar Index (Wert des Dollar gegen einen Währungskorb aus Euro, Yen, Pfund, kanadischem Dollar, schwedischer Krone und Schweizer Franken) und des Dollar gegen den Yuan verglichen werden: seit 2014 hat der Yuan gegen den Dollar zwei mal weniger nachgegeben als dieser westliche Währungskorb…


Abbildung 2 – orange: Entwicklung des Dollar-Index; blau: Entwicklung des Dollars gegenüber dem Yuan, 2012-2017. Veränderung in Prozent gegenüber dem Referenzpunkt Januar 2012 Quelle: Bloomberg.

Eine solche Drohung wäre also viel „gerechtfertigter“ gegen die Eurozone, Japan oder Großbritannien und trotzdem ist China im Visier. Offensichtlich treibt die Vereinigten Staaten mehr eine politische Motivation als eine wirtschaftliche Realität an. Genauso wie die Nominierung von notorisch gegen China feindlich eingestellten Ministern[12] in die nächste Regierung, ein merkwürdiger großer Spagat mit der neuen Freundschaft gegenüber Russland.

Diese Anschuldigungen sind für China noch schwieriger zu akzeptieren, da es tatsächlich aktiv die Abwertung seiner Währung begrenzt. Tatsächlich verkauft es seine enormen Währungsreserven im Rhythmus von ungefähr 40 Milliarden Dollar pro Monat, um Yuan zu kaufen, damit es so seine Währung stützen kann.


Abbildung 3 – Chinesische Devisenreserven in Billionen Dollar, 2006-2016. Quelle: CNBC.

Seit August 2014 sind die chinesischen Reserven um fast 25% gefallen, wenn man sie in Dollar misst. Beachten Sie jedoch, dass dieses Maß (das für die Finanzmedien ausschlaggebend ist) aus chinesischer Sicht keinen Sinn macht, da nur der Wert seiner Reserven in Yuan zählt. Und da man im August 2014, 6,15 Yuan für einen Dollar bezahlen musste, und jetzt 6,95, hat dieser „nur“ um 15% nachgegeben, was schon weniger schlimm ist.

China stützt seine Währung nicht wegen der Beschäftigung, da diese immer noch sehr stark vom Export abhängig ist und deshalb großes Interesse an einem schwachen Yuan hat[13]. Die Anleger erwarten einen weiteren Rückgang des Yuan, was die Kapitalflucht erklärt, an der das Land leidet (Umtausch von Yuan in Dollar, insbesondere um den Wert der Anlagen für den Fall einer Yuan-Schwäche zu sichern). Nach Schätzungen[14] (wie immer leider aus dem englischsprachigen Finanzsektor) haben 2016 zwischen 600 und 800 Milliarden Dollar das Land verlassen und 2015 noch mehr. Ja, das ist viel.

Abbildung 4 – Entwicklung der ausländischen Direktinvestitionen in China, 1998-2016. Quelle: Financial Times

Wenn China seine Währung stützt, und so den Anweisungen von Trump “folgt“ (und schon bevor Trump in den Wahlkampf eingestiegen ist), dann einzig und allein, um diese Kapitalflucht zu bremsen. Es ist übrigens nicht die einzige Maßnahme zur Beendigung dieses Aderlasses. Die Kapitalkontrolle wird drastisch verstärkt[15] (übrigens auch um gegen Geldwäsche und Steuerflucht zu kämpfen) und der Bitcoin, der unter dem Verdacht steht, ein privilegiertes Mittel zu sein, um Ersparnisse aus dem Land zu schaffen, ist im Visier von Peking[16].

Die Mittel, die von der chinesischen Führung angewandt werden, zeigen, dass sie sehr entschlossen ist, die Kapitalflucht und die Spekulation auf eine Talfahrt des Yuan zu beenden und unser Team nimmt an, dass sie Erfolg haben werden. Umso mehr, als die nächste Talfahrt des Dollar, die wir im letzten Monat antizipiert haben, eine Umkehr des Phänomens erleichtern wird. Allerdings antizipieren wir trotzdem eine neue Abwertung des Yuan (oder eine Verringerung der Stützungspolitik), aber freiwillig und geplant und zweifellos terminiert für kurz nach der Amtsübernahme von Trump im Weißen Haus. Das hat dann mehrere Vorteile: Begrenzung der Auswirkungen eines Nachgebens des Dollars, Unterstützung der Exporte und der chinesischen Beschäftigung, Eindämmung der langsamen unfreiwilligen Erosionsbewegung des Yuan, indem es diese voraus nimmt, und Demonstration, dass die Vereinigten Staaten China nicht ihren Willen diktieren.

Es ist nicht ohne Grund, dass China im Dezember den Einfluss des Dollar auf den Währungskorb, der derzeit den Entscheidungen Pekings zu Grunde liegt, weiter reduziert hat: der Greenback hat nur noch einen Anteil von 22,4%, während der Anteil der regionalen Währungen zugenommen hat[17]. Übrigens hat nach dieser neuen Maßeinheit der Wert des Yuan in den letzten Monaten zugenommen … . Das ist ein Zeichen, dass China nicht mehr von den Fluktuationen des Dollar abhängig sein will, um seine Finanzpolitik zu entscheiden.

2017: Ende des internationalen Systems, wie wir es gekannt haben

Im letzten Showdown wird das chinesischen gegen das amerikanische Lager stehen. Alles hängt davon ab, ob der gesamte Westen (Vereinigte Staaten, Europa) China zurückweist. In diesem Fall wird Ende 2017 ein eiserner Vorhang auf die Welt fallen (unnötig zu präzisieren, dass er schon sehr weit heruntergefahren ist … wenn man den Propagandakrieg betrachtet, den sich die beiden Lager liefern und der uns in eine komplette Virtualisierung der Realität versinken lässt[18]).

Wenn es allerdings Europa gelingt, sich aus der Falle zu befreien, dann sind die Bedingungen reif für die Herausbildung dieser vielzitierten multipolaren Welt, in deren Organisation, wie wir immer wieder wiederholen, sich Europa wegen seiner Erfahrung mit regionaler Integration (auch mit seinen Misserfolgen) sehr nutzbringend einbringen kann.

In beiden Fällen wird das Jahr 2017 markiert werden durch das Ende des internationalen Systems, wie wir es gekannt haben: im ersten Fall werden wir schlicht eine Aufgabe der internationalen, vom Westen im 20. Jahrhundert aufgebauten Institutionen sehen in einer simultanen Bewegung der Amerikaner und der Chinesen, im zweiten Fall, eine tiefgehende und am Anfang wahrscheinlich chaotische Reform dieser Institutionen nach den Prinzipien der Multipolarität.

Und in beiden Fällen hat China keinen Grund, den Prozess der Übernahme der westlichen Wirtschaftsprinzipien, den es vor 25 Jahren begonnen hat, weiter fortzusetzen. Umso weniger, als diese Prinzipien vom Westen selbst in Frage gestellt werden. Trotz allem was Trump sagt, stehen Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung heute für politische Schwäche und nicht für wirtschaftliche Wahlfreiheit.

Der mittlere Weg

Im System der chinesischen Governance spielt das Konzept von Generationen eine große Rolle. Es ist daher bezeichnend, dass man in der asiatischen Presse lesen kann, dass die Generation der reformorientierten Ökonomen, die am Anfang des Artikel beschrieben wurde, jetzt gerade dabei ist, in den Ruhestand zu gehen, und dass sich jetzt schon eine neue Generation zeigt[19], was eine Veränderung in der Ausrichtung der Wirtschaftspolitik dieses Landes ab diesem Jahr anzeigt.

Abbildung 5 – Widersprüchliche Entwicklungen der derzeitigen chinesischen Volkswirtschaft (Chinas Handelsvolumen, Anteil des Yuan an grenzüberschreitenden Transaktionen, Aktien und chinesische Anleihen im Besitz von Ausländern, Kurs der Schanghaier Börse, öffentliche und private Verschuldung, Entwicklung der industriellen Produktion). Quelle: Wall Street Journal

China erlebt eine  Welt, in der die üblichen Wirtschaftsindikatoren und -methoden kritisiert werden, sogar im IMF, der zum Beispiel zur Sparpolitik das Lager wechselt, und es ist mit voller Wucht einer Attacke der Mainstream-Medien ausgesetzt, die kritisieren, dass das Reich der Mitte seinen Markt nicht genug öffnet oder seine Währung nicht genug floaten lässt (und wenn es das macht, dann ist es auch nicht recht, weil sich dann seine Währung abschwächt). Dieses China wird versuchen, sich von diesem ungeeigneten Modell zu emanzipieren und seinen eigenen Weg zu verfolgen, wie man es schon zum Beispiel bei der Einrichtung seiner eigenen Ratingagenturen[20] oder der Verhandlung von Swap- oder Handelsabkommen außerhalb des Dollar-Rahmens[21] sehen konnte.

In diesem Zusammenhang antizipiert unser Team, dass das Land einen Mittleren Weg einschlagen wird mit der Reform der Staatsunternehmen als erstem Schritt. Die neue Generation der chinesischen Ökonomen wird ein neues Modell erfinden müssen, das einer Strategie von „China first“ dient und offen zur Welt ist (auf jeden Fall zu einem Teil der Welt). Die wichtigsten Ziele des chinesischen Wirtschaftsmodells werden unserer Ansicht nach aus einer Kombination der folgenden Charakteristiken bestehen:
. Koordinierung der Wirtschaftspolitik: die Regierung wird ihre dem Gesetz des Marktes folgende Volkswirtschaft nicht aufgeben, aber diese wird sich in Richtung eines koordinierendes Systems und nicht eines zentralisierten Systems entwickeln.

. Auf Verbraucherkredite ausgerichtete Politik, um auch in Zeiten eines sich abschwächenden Wachstums dafür zu sorgen, dass sich eine Mittelklasse von Verbrauchern herausbildet.
. Gemischte Volkswirtschaft, aber unterschieden in sanierte und modernisierte Staatsunternehmen für die großen öffentlichen Dienstleistungen[22], große Perlen der Privatwirtschaft unter politischer Kontrolle und Gewebe von KMUs, um das tiefgreifende Wachstum zu innervieren und zu verankern.
. Durchlässigkeit der Wirtschaftsbeziehungen: weder Protektionismus, noch Offenheit, die Prinzipien von „China first“ werden zu einer kontrollierten Öffnung, einer Anerkennung der Interessen der verschiedenen betroffenen Parteien und ihrer Harmonisierung führen.

. Nationaler und transnationaler Keynesianismus durch die großen transnationalen Investitionsprogramme, die dazu dienen sollen, dem globalisierten (oder regionalisierten) Handel die Infrastrukturen zu geben, die er zum Aufblühen braucht.

. Mehr oder weniger sichtbarer Rückzug aus den verbindlichen internationalen Gremien: ein symbolischer Rückzug aus der WTO ist für 2017 nicht auszuschließen. Dieser könnte nach unserem Team das starke chinesische Signal für seinen Ausstieg aus dem westlichen Abhängigkeitsspiel sein. Dabei ist es unnötig, darauf hinzuweisen, dass die schon schwerkranke WTO einen solchen Sturm nicht überleben wird. Und dies wird eine Idee  von der Zukunft des Restes der globalen Governance geben, wenn China als Reaktion auf eine amerikanische Abweisung seinen eigenen Weg einschlägt.
. Schaffung von neuen Werkzeugen für die Evaluierung und Kontrolle der chinesischen und auf China ausgerichteten Volkswirtschaft, und das außerhalb des westlichen Einflusses[23].

. Mittelfristig eine Politik eines starken Yuan, um Kapital anzuziehen, ohne die Kontrolle zu verlieren über die Ausrichtungen und die Bedingungen von ausländischen Investitionen.

. usw…

Bei der Auflistung dieser Ziele erkennt man, dass China bereits viele Elemente eines authentischen Wirtschaftsmodells hat. Die wahre Offenbarung wird 2017 darin bestehen, dass China nicht mehr auf dem Weg zur Übernahme des westlichen Modells, sondern zur Entwicklung eines eigenen Models ist. Und dies wird ein starkes Signal aussenden über das Ende einer einzigen wirtschaftlichen Denkweise. Es wird auch ein sehr großes Fenster an Gelegenheiten öffnen für die Erfindung von anderen Modellen (America first, Europe first, China first, India first, Africa first …) mit starkem Potential zur Befreiung von Energien zur Modernisierung, aber auch für ideologische Konflikte.

___________________________________

[1]    Quelle: The Japan Research Institute, September 1999 (Nr 45)

[2]    Quelle: Urban Demographics, 06/02/2014

[3]    Quelle: Wu Jinglian, Voice of Reform in China, MITPress, August 2013

[4]    Quelle: Wikipedia

[5]    Quelle: New York Times, 01/01/2016

[6]    … insbesondere unter der Führung von Zhou Xiaochuan genau, als er an die Spitze der Chinesischen Volksbank kam, im Rahmen des G20 von London, der historisch hätte sein müssen/können … aber es ganz und gar nicht war.

[7]    Die  Anstrengung der BRICS, positiv und strukturiert zur notwendigen Reorganisation der neuen globalen Konfigurationen beizutragen, wurde von Brüssel und Washington mit Verachtung und sogar Leugnung beantwortet (wir erinnern uns an das, was wir 2014 in Brüssel gehört haben: „Man muss die BRICS ignorieren, damit sie in der Versenkung verschwinden“), da diese in den BRICS nur ein zum westlichen Modell konkurrierendes Modell gesehen haben.

[8]    Quelle: CNBC, 2911/2016

[9]    Quelle: Daily Star (Lebanon), 13/10/2016

[10]   Quelle: G20.de

[11]   Quelle: CNBC, 29/12/2016.

[12]   Quelle: Guardian, 23/12/2016.

[13]   Quelle: Epoch Times, 17/12/2015.

[14]   Quellen: Straits Times (19/12/2016) ; Channel NewsAsia (01/01/2017).

[15]   Quelle: CNBC, 09/01/2017.

[16]   Quelle: Bloomberg, 09/01/2017.

[17]   Quelle: Bloomberg, 30/12/2017.

[18]   Wir kommen auf diesen Punkt in einer der nächsten Ausgaben zurück. Aber wir haben schon vor längerem (im März 2015) den Titel „Krieg um die Bedeutungshoheit der Ereignisse“ gewählt. Jetzt ist er da!

[19]   Auf jeden Fall macht die alte Generation Platz. Quelle: South China Morning Post, 13/12/2016.

[20]   Quellen: « Dagong, l’agence de notation chinoise boudée par les Occidentaux » (Dagong, die vom Westen gemiedene chinesische Ratingagentur), RFI (16/01/2012) ; « La Russie et la Chine créent une agence de notation financière » (Russland und China gründen eine Ratingagentur), Sputnik News (03/06/2014).

[21]   Das haben wir schon seit langem in früheren GEAB-Ausgaben analysiert.

[22]   Die Bewegung ist schon in vollem Gange und gibt Anlass zur Hoffnung. Quelle: “Could SOE reform in China usher in the next economic revolution?”, South China Morning Post, 16/11/2016.

[23]   Kapitalflucht, Überkapazität, Kreditblase, man muss anerkennen, dass nach westlichen Maßstäben das chinesische Bild nichts von der Ruhe eines Gemäldes von Wu Zhen hat.

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Zusammenfassung

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