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Der monatliche Informationsbrief des Laboratoire européen d'Anticipation Politique (LEAP) - 15 Dez 2021

Zukunftskrise 2022-2025: Hat der Westen auf die falsche Zukunft gesetzt?

Der Schatten des Web3 zeichnet sich jetzt am Horizont ab[1]. Wir erkennen damit bereits eine neue Revolution, 25 Jahre nach der der Einführung des Internets, von der sich unsere Gesellschaften nur mit Mühe zu erholen beginnen. Neue Etappe der Dezentralisierung und De-Intermediation, Wiederherstellung der durch das Web 2.0 und seine großen Raubtiere[2] gestohlenen Surfer-Freiheiten, Revolution des Währungssystems, eine dem neuen Modell inhärente Demokratisierung, … ausreichend, um die etablierten Mächte (Banken, Multis, Big Tech) aufzuscheuchen, die gerade begannen, das Internet durch Regulierung und Kontrolle der Zirkulation von Ideen wieder in den Griff zu bekommen. Und nun verspricht eine neue Welle der Transformation die schönen neuen Mauern, die einst errichtet worden waren und das Web 1.0 der Bürger in ein kommerzielles Web 2.0 verwandelt und die Einnahmen in einige große New-Tech-Unternehmen gelenkt hatten, wegzuspülen.

Im Hinblick auf diese neue Transformationsphase (und im Einklang mit dem von uns im Oktober 2020 festgestellten Trend der Rückkehr zur Realität[3]) antizipieren wir, dass 2022 im Westen immense Zweifel an der Relevanz eines Teils der Übergangs-/Innovationsprojekte und -unternehmen aufkommen werden. Diese große Krise wird sich aus der Infragestellung aller Akteure ergeben, einschließlich (oder sogar insbesondere) der Befürworter des Übergangs, d. h. der Big-Tech-Unternehmen, die sich unserer Meinung nach darauf vorbereiten, ins fortschrittsfeindliche Lager überzulaufen …

Chronik einer angekündigten Krise: Der Anstieg der Leitzinsen

Der Auslöser für diese umfassende Infragestellung ist uns bereits bekannt. Es ist der Anstieg der Leitzinsen der amerikanischen und europäischen Zentralbanken. Es wird alles getan, um sie so weit wie möglich hinauszuschieben und die Unternehmen und die Kaufkraft so lange wie möglich weiter zu stützen. Doch die gigantischen Mengen an Liquidität, geschaffen durch das Trommelfeuer aus allen den Zentralbanken und Staaten zur Verfügung stehenden geld- und fiskalpolitischen Waffen (niedrige Steuern, höhere Staatsausgaben, Verschuldung, Monetarisierung von Schulden, Niedrigstzinsen), führen zu einer Geldentwertung, die bekanntermaßen zur inflationären Tendenz beiträgt. Das Problem: Je höher die Inflation, desto teurer (Sozialleistungen und Produktionskosten) wird es, die Wirtschaft am Laufen zu halten, wodurch die Wirkung der unternommenen Anstrengungen entsprechend geschmälert wird.

Bei einer November-Inflationsrate von 6,7 % in den USA wird die Bevölkerung nicht mehr lange durchhalten[4], trotz der 1,7 Billionen aus Bidens Sozial- und Umweltplan[5], deren Effizienz im Meer von Schulden, Inflation und Verdunstung – infolge der Schwierigkeiten der Kontrolle ihrer Zweckbindung (in welchen Taschen werden diese Summen wirklich landen?) – verwässert werden wird. Die Fed hat daher bereits mit der Straffung ihrer Maßnahmen begonnen[6] und setzt die Bemühungen in diesem Sinn[7] fort. Was die Zinsen angeht, so werden 2022 zwei Erhöhungen erwartet[8]. Auf Seiten der EZB helfen ihr eine geringere Inflation und ein optimistischerer Diskurs über deren temporären Charakter, eine erste Zinserhöhung erst für 2023 zu planen[9]. Der Euro verliert jedoch bereits an Wert gegenüber dem Dollar[10] und es ist wahrscheinlich, dass diese Spanne (die derzeit willkommen ist, um die europäischen Exporte anzukurbeln) zu einem Problem wird, wenn die US-Zinserhöhungen die europäische Währung gegenüber dem Dollar zu sehr abwerten und die EZB dazu zwingen, der Fed früher als derzeit geplant zu folgen.

Wir antizipieren daher, dass spätestens Mitte 2022 (aber nicht vor Ende April, wenn die französischen Wahlen stattfinden) ein Zinsanstieg die vor allem von Technologiewerten angetriebene Blase der westlichen Finanzmärkten zum Platzen bringen wird, das Börsenkapitel des letzten Jahrzehnts schließt und dazu zwingt, alle Strategien insbesondere für den digitalen Übergang zu überdenken – sogar die Bank of America sagt das jetzt[11].

Zu diesem Zeitpunkt wird der Westen Bilanz über die Flucht nach vorn, die er angetreten hat, um seine weltweite Poleposition zu halten, ziehen müssen und feststellen, dass er trotz (oder sogar wegen) der stratosphärischen Verschuldung, in die ihn dieser Wettlauf geführt hat, immer mehr hinter dem von Asien (und nicht nur China)[12] angeführten technologischen Fortschritt zurückbleibt.

6G: Die Kapitulation bei 5G kann nicht zu einem Sieg bei 6G führen

2018 wurde der Westen bei 5G von China überholt. Auch wenn es so aussieht, als würde sich Amerika wieder stromaufwärts bewegen, indem es ein „westliches“ Lager mobilisiert (das von uns bereits besprochene Open RAN) und die Konkurrenz (Huawei) sanktioniert, ist dies in Wirklichkeit das, was wir als „Kapitulation“ bezeichnen, denn der „faire Wettbewerb“ ist damit beendet. Mit der Auslösung des Wettrennens um 6G versuchen die USA eine weitere Technik, um ihre Führungsposition zurückzuerobern[13]: Während 5G noch weit von der Ausrollung entfernt ist (70% der 5G-Abonnenten sind in China[14] und auch wenn sich die Abdeckung in Europa und den USA schnell verbessert, verhindern zahlreiche Amtsschimmel die Aussichten auf ein Ausrollen[15]) und noch niemand weiß, wozu 6G dienen könnte[16], ist das Rennen bereits eröffnet, um die eigenen Technologien und Flaggschiffe bei den Verhandlungen zu künftigen internationalen Standards, bei denen es um Milliarden von Dollars geht, durchzusetzen[17]. Das Ziel besteht offensichtlich nicht mehr darin, der Gesellschaft die Werkzeuge zu liefern, die sie braucht, um besser zu funktionieren, sondern systemische Rivalen zu schlagen; schlimmer noch, die für 6G aufgewendeten Energie und Gelder sind unweigerlich eine Bremse für das Ausrollen von 5G, das jedoch für den digitalen Wandel und die Wettbewerbsfähigkeit westlicher Unternehmen unerlässlich ist. Wie die Khmer Times aus Vietnam erinnert: „6G should (nontheless) not be a geopolitical battlefield[18].

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Zusammenfassung

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